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Wie oft geht jeder von uns den bekannten, ausgetretenen Weg über den Berg anstatt den neuen – schnelleren und einfacheren – Weg um den Berg herum auszuprobieren und lieb zu gewinnen?


Vor einigen Monaten machte ich wieder meinen wöchentlichen Großeinkauf. Als ich mich den Kassen näherte, blieb ich etwas irritiert stehen. Irgendetwas war anders. Die bisherigen 15 Kassen waren verringert worden und durch einige SB-Kassen ergänzt worden, die ich jedoch ignorierte. So stand ich am Ende einer langen Schlange und die Zeit rann von dannen. Auch beim nächsten Einkauf machte ich gedanklich erst einmal einen Bogen um die Möglichkeit, den Einkauf selbstständig abzuschließen. Als ich die Schlangen vor den Kassen sah, gab ich mir einen Ruck; durchaus gepaart mit Skepsis. Und tatsächlich zeigte der Bildschirm direkt beim zweiten Scannen an: „Artikel nicht bekannt, bitte kontaktieren Sie einen unserer Service-Mitarbeiter“. „Na super“, dachte ich, „war doch klar, dass das nicht funktioniert.“ Direkt kam ein Mitarbeiter. Freundlich und hilfsbereit nahm er den Artikel und zog ihn langsam über den Scanner. „Sie müssen ein wenig Geduld haben, das System ist noch neu.“ „Aha“, dachte ich, „na dann…“. Und tatsächlich, die nächsten Artikel flutschten bestens über den Scanner. Das nächste Mal folgte ich (wieder) meiner Gewohnheit und ging an eine der personenbesetzten Kassen. Vor mir stand ein Kunde, der ganz offensichtlich vergessen hatte, sein Gemüse zu wiegen und erst einmal mit den Waren abzog. Schließlich hatte er noch ein ganzes Bündel an Gutscheinen, die eingelöst wurden. Ergo: ich stand und wartete…

Für das kommende Mal nahm ich mir fest vor, die SB-Kasse zu nutzen. Dies tat ich dann auch. Heute ist es für mich völlig normal, dass ich direkt dort zahle. Ich fühle mich versiert, kenne den Umgang mit dem Scanner und weiß, wenn etwas nicht auf Anhieb funktioniert, bekomme ich hilfreiche Unterstützung. Schließlich wurde dieser Wandel bzw. diese Veränderung für mich Routine – bei jedem Einkauf. Dieser Wandel ist schließlich im Alltäglichen verhaftet und gängig.

Was macht es für Menschen so herausfordernd, sich zu verändern bzw. mit Wandel umzugehen?

Menschen neigen aus erklärlichen Gründen dazu, in ihren bekannten Mustern, in ihrer Wohlfühlzone zu bleiben. Jede Veränderung bedeutet Aufwand, den man im ersten Moment scheut. Das menschliche Handeln wird zu mindestens 90% von unserem Unterbewusstsein bestimmt. Dies belegt die jüngere Gehirnforschung (David Eagleman, „The Brain“, Die Geschichte von Dir). Das muss man sich mal bewusst machen! In vielen Fällen ist dies ein enormer Vorteil. Man muss beim Autofahren nicht mehr darüber nachdenken, wie das Fahrzeug im Einzelnen bedient wird, man kennt „seine“ Wege. Diese bekannten, im Gehirn vernetzten Informationen abzurufen, erfordert keine Anstrengung. Sie erfolgen automatisch.

Genau dort liegt die Herausforderung. Eine Änderung bedarf der bewussten Entscheidung, also einer Aktivierung der verbleibenden 10% des Gehirns. Dies ist mit einem Aufwand verbunden, den jeder Mensch zu Beginn scheut, wenn das bessere Ergebnis nicht sofort greifbar zu Tage tritt. Der Mechanismus ist in der Arbeitswelt genau derselbe, nur dass er dort meist noch vielfältiger und tiefer verankert ist. Entsprechend größer ist der Aufwand, wenn man eine Veränderung innerhalb einer Organisation herbeiführen möchte. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn die Kunden in der Schlange sich während des langen Wartens gegenseitig auch noch bestätigten, „wie unzuverlässig und unangenehm die neuen Bezahlsysteme sind“ und „dass man moralisch verpflichtet sei, die Arbeitsplätze der KassiererInnen zu erhalten“. Das bedeutet schon von Beginn an, den Blick auf den anstehenden Wandel zu richten.

Wir bei ComTeam kennen diese Mechanismen. Wir antizipieren diese Herausforderungen.

Wenn sich Veränderungen in Unternehmen ankündigen, dann ist die existierende (oft unbewusste) Unternehmenskultur ein entscheidender Aspekt, den es beim anstehenden Change zu berücksichtigen gilt. Wie leben wir unseren Unternehmensalltag? Mit welchen Regeln – den do‘s and dont‘s – sind wir erfolgreich? Wie arbeiten wir zusammen und wie wird geführt? Wie gehen wir mit Fehlern um?

Oft gehen Veränderungen mit strukturellen Aspekten und Zielsetzungen wie z.B. einer Prozessoptimierung einher. Nur Prozesse, Schnittstellen, Verantwortlichkeiten und unterstützende (IT-)Systeme zu ändern, ist zu kurz gesprungen. Immer braucht es auch einen aufmerksamen Blick auf die Menschen, die die Veränderungen betreffen und die diese dann umsetzen.

Wir haben die Fusion zweier mittelständischer Stromnetzanbieter begleitet. Das Top-Management war von Anfang an davon geleitet, dass es bei der Zusammenführung von gewachsenen und autonomen Organisationen ganzheitliche Kommunikation braucht. Das geschah an vielen und unterschiedlichen Punkten während des Gesamtprozesses. So bereits ganz früh mit der offenen Information, dass es einen Zusammenschluss geben wird. Gepaart mit der konkreten Einbindung der Führungskräfte und Mitarbeiter: Infoveranstaltungen, Marktplätze, Austauschtreffen, Projektmitarbeit,… . Das zog sich dann weiter durch die Initialisierungs- und Konzeptionsphase bis hin zu der ganz entscheidenden Implementierungsphase. Die Organisation hatte neue Strukturen, Prozesse, Führungsfunktionen und Zuschnitte. Mit den klassischen Formaten der Führungskräfte-Workshops mit Blick auf die aufeinandertreffenden Kulturen wurde gestartet. Zeitnah saß die nächste Führungsebene zu einem „Start in den Teams“-Workshop zusammen. Das bedeutet, parallel wurde horizontal wie auch vertikal dafür gesorgt, dass zukünftige Prozesse und Strukturen betrachtet werden konnten und die Art der Führung und Zusammenarbeit thematisiert und vereinbart wurde. Mitarbeiter und Führungskräfte waren in Kontakt und haben sich in kurzfristig wiederholenden Treffen ausgetauscht: Was läuft schon gut? Was ist eher schwierig und wo müssen wir nachjustieren? Gibt es was Neues, das wir betrachten sollten? In kleinen Schritten wurden die Veränderungen auf den Weg gebracht und im Alltag verankert.

Organisationen sind erfolgreich, wenn sie früh die anstehenden Veränderungen offen und verständlich kommunizieren und dabei den Blickwinkel und das Know-how der Führungskräfte und Mitarbeiter einbeziehen. Dies kann besonders gut dadurch gelingen, dass es Pilotierungen gibt, bei denen eine Gruppe von Mitarbeitern zu einem sehr frühen Zeitpunkt Erfahrungen mit der anstehenden Veränderung sammelt und diese dann mit weiteren Kollegen finalisiert, um sie im Unternehmensalltag einfließen zu lassen. Feste Ansprechpartner, die für die „betroffenen“ Mitarbeiter erreichbar sind und konkret unterstützen, verschaffen Sicherheit. Und die braucht es bei all dem Neuen, was „da jetzt so kommt“, unbedingt: Eine Sicherheit, dass auch Neues erlernt werden kann, Fehler die Chance zum Lernen sind und daraus am Ende durch alle Beteiligten ein Prozess belastbar optimiert wurde und nachhaltig gelebt wird.

Mit kleinen Schritten voran gehen. Sich die Zeit gönnen, inne zu halten, um aufmerksam zu betrachten, was gut gelungen ist (und davon mehr machen) bzw. was noch nicht rund läuft (und Achtsamkeit benötigt). Mit Bewusstsein und Blick auf das tägliche Handeln: So führt der Weg zum Ziel.

Denn dies ist die Kunst. Die neue Wirklichkeit/den Wandel mit Leichtigkeit und Routine zu leben: jeden Tag – auch wenn der Weg um den Berg zunächst länger scheint.

Juliane Kasper

Beruflich begleite ich Menschen, Teams und Organisationen bei sehr unterschiedlichen Veränderungsprojekten. Oftmals Projekte, in denen schnell deutlich wird, dass es sich um mehr als ein Anwendungsprojekt mit fachlicher Ausrichtung handelt. Mein Credo: Je mehr Zeit im Vorfeld eines Wandels auf den Prozess und die unterschiedlichen Maßnahmen gelegt wird, umso besser können die Menschen sich beteiligen und diesen umsetzen.
Unerkannte Türen zu öffnen, neue Räume aufzuzeigen, in denen andere sich dann (unerwartet) wohl fühlen, macht mir große Freude. Gemeinsam diese Entdeckungsreisen zu gestalten und das dazu gehörende Vertrauen zu genießen, empfinde ich als großes Privileg.

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