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Neulich an der Supermarktkasse: Hinter mir eine lange Schlange – und dann das: Die Literflasche Olivenöl fällt mir beim Einpacken aus der Hand. Das Resultat am Boden können Sie sich vorstellen ….
Eigentlich hätte die Situation zum „Peinlichkeitshighlight“ des Monats getaugt ;-)
Zu meiner großen Überraschung bin ich jedoch weder rot geworden, noch war ich peinlich berührt, sondern blieb komplett entspannt. Ich habe mich bei dem Kassierer aufrichtig entschuldigt für den entstandenen Zusatzaufwand, habe mit Papiertüchern verhindert, dass sich die Flüssigkeit noch weiter ausbreitet, habe meine restlichen Lebensmittel eingepackt und bin von dannen gezogen.
Was mich danach viel mehr beschäftigt hat: Wie kam es, dass mir der Vorfall nicht unangenehm war? Dass ich nicht hektisch versucht habe, aufzuwischen oder schnell die Biege zu machen? Dass keine Selbstvorwürfe kamen?
Diese Gefühle werden ausgelöst durch Gedanken, die uns in den Kopf kommen. Das heißt, dass 100 % unserer Gefühle (peinlich berührt sein zum Beispiel) vorab durch die entsprechenden Gedanken getriggert werden. Wenn ich also denke, ich habe keine Zeit, dann fühle ich mich gestresst. Wenn ich denke, Sonne tut mir gut, dann fühle ich mich im Sommer glücklich. Wenn ich denke, meine Kollegin hat mich absichtlich nicht informiert, dann fühle ich Ärger.
Meistens sieht es für uns jedoch so aus, als sei die Kollegin schuld an meinem Ärger. Als sei die Sonne der Grund für mein Wohlbefinden. Als sei die Zeitnot die Ursache für meinen Stress.
Meine Gedanken kreieren also meine eigene Realität und ich glaube dann, dass das die Wahrheit ist. Das ist sie nur leider nicht.
Denn die Ursache für alle Gefühle liegt in der Natur meiner Gedanken. Die Gedanken kann ich nicht wirklich beeinflussen, noch kann ich sie verhindern. Sie sind fast unaufhörlich da – wie ein Radio, welches permanent sendet. Viele empfinden das als anstrengend. Ist es auch. Hinter dem Wunsch, mal abzuschalten, steht meines Erachtens häufig die Sehnsucht, dass das Radio mal still ist.
Gleichzeitig ist diese, uns Menschen eigene Fähigkeit zu denken, großartig. Denn sie ermöglicht uns, wunderbare Ideen zu produzieren, tolle Pläne zu entwickeln, richtige Schritte zu unternehmen, unser Leben zu leben. Dabei sind manche unserer Gedanken hilfreicher, manche nicht … manche fühlen sich besser an, manche nicht. So ist das.
Das, was ich wirklich selbst beeinflussen kann, ist: Wie sehr ich an den Gedanken festhalte, wie sehr ich ihnen Glauben schenke, wie sehr ich auf ihnen herumkaue. Und letztlich auch, wie sehr ich an dem Irrglauben festhalte, dass meine Gedanken die Wahrheit sind und meine Gefühle mir Auskunft über die Realität geben – oder aber: Wie sehr ich verstehe, dass sie meine Realität formen, aber eben nur meine.
Womöglich kamen Gedanken an der Kasse wie: „Oh ich Schussel“ oder „Kann doch jedem mal passieren“ oder „Mist, ich war nicht vorsichtig genug“. Aber ich habe ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nach dem Motto: Glaube nicht alles, was Du denkst. Das hat nicht zu Passivität geführt, ich habe – glaube ich – adäquat reagiert. Oder?
Welche Gedanken lösen bei Ihnen Stress aus – an Stellen, wo es auch anders gehen könnte?
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Liebe Kerstin, danke für diese wunderbar anschauliche Differenzierung.
Unglaublich, wie leichtgläubig wir oft unseren Gedanken und Emotionen vertrauen, ohne die Möglichkeit zu nutzen, sie zu hinterfragen. Denken allein macht nicht klug, Emotionen haben ist noch lange nicht authentisch. Erst durch Bewusstheit und Hinterfragen können wir diejenige sein, die wir eigentlich sind.
Liebe Grüße, Cornelia Weber-Fürst