Geschätzte Lesezeit: 4 Minute(n)
Situativ Führen ist nicht selten eine Herausforderung. Viele stellen sich die Frage: Wie soll ich meine Mitarbeiter in ihren unterschiedlichen Aufgaben „richtig“ führen? Eine mögliche Antwort darauf ist in der gleichnamigen Führungstheorie von Hersey und Blanchard beschrieben. Sie spricht von Reifegraden der Mitarbeiter. Mithilfe einer Geschichte mache ich die Bedeutung der Reifegrade in Seminaren lebendig. Es geht um: Mich, meine Kinder und ihre ersten Schritte des Autofahrens.
Zum ersten Mal am Steuer
Ich sitze neben meinem Sohn (und bei meiner Tochter war das auch so) und er sitzt zum ersten Mal am Steuer unseres Autos. Natürlich sind wir auf einem Verkehrsübungsplatz. Er hat zwar tausendmal zugesehen… Aber nun ist alles anders.
„Nein, noch nicht den Schlüssel drehen… erst schalten üben.“ „Mehr als zwei Gänge brauchen wir heute nicht“. Drei Pedale und nur zwei Füße, das wird schwierig. Unsicherheit und Unkenntnis machen sich breit (Reifegrad 1). Anders ist es beim Ski fahren: Da bin ich der Anfänger an seiner Seite.
Also jede Handlung erst erklären und die mögliche Wirkung beschreiben. Ok… beim ersten Schlüsseldrehen sind wir nur nach vorne gesprungen… Dass der Motor beim zweiten Versuch so aufheult, liegt sicher an der Automarke. Dass er das Kupplungspedal nicht bis zur Straße durchtreten muss, bedarf noch Feingefühl. Dennoch: Nach einigen Versuchen rollen wir dahin. Mein Blick geht immer wieder zur Handbremse und hoffe inständig, dass es nicht nötig sein wird, sie zu nutzen.
Die wirkliche Zeit des Lernens überlasse ich wohl besser der Fahrschule. … Es kommt wie es kommen muss: Bestanden!… und ich „darf“ das erste Jahr begleitend daneben sitzen.
Die Selbstsicherheit steigt
Mit dem Führerschein ist es scheinbar offiziell: „Ich kann Autofahren“ höre ich ihn sagen. Bei der ersten Fahrt auf der Autobahn, und das war direkt nach der Prüfung auf dem Weg in den Urlaub, wird klar: Er meint, er kann es. Ich hege bei so manchem Überholmanöver noch meine Zweifel. Zumindest sendet mir mein Körper ständig eindeutige Signale des Unbehagens (Reifegrad 2: Weiterhin noch nicht fähig, doch meint schon, sicher zu sein).
Also weiterhin erklären, begründen und auf mögliche Alternativen hinweisen… „Der blaue Wagen da vorne wird gleich rausziehen, lieber nicht zu schnell ranfahren“ … Upps, ich kann die Zukunft vorhersagen. „Das mit dem Schulterblick gilt übrigens auch nach der Prüfung“.
Und ja, es wird immer besser – auch für mich.
Er kann es, aber…
Dann die Fahrt rein nach München am Abend im Herbst. Es regnet wie aus Kübeln und Lichter spiegeln sich gerne hundertmal. Dreispurig mit Straßenbahn und nur das Navi weiß den Weg. In diesem Moment geht plötzlich nichts mehr wie gewohnt: Der Wagen säuft an jeder Ampel gleich mehrfach ab. Es folgt ein andauerndes Hupen. Und das ist gewiss nur wertschätzend gemeint. Die ganze Sicherheit ist dahin und Nervosität bricht sich bahn. „Ich fahr keinen Meter mehr, so ein …….“.
Jetzt ist Beratung, Nachsicht sowie Ermutigung gefragt. Fahren kann er, nur die Umstände verhageln seine Selbstsicherheit. (Reifegrad 3: Fähig aber unsicher oder unwillig). Also erst einmal sicheres Gelände vorschlagen und eine kleine Pause. „Nö. Ich fahre jetzt nicht: Du bekommst das schon hin. Für mich wäre es genauso stressig und als Team wird es gehen“. Und es ging.
Jetzt fühlt es sich gut an
Dann kommt der achtzehnte Geburtstag. Punkt 24 Uhr ist Schlüsselübergabe. Fahren kann er. Ob er will, ist bei dem Strahlen in den Augen keine Frage (Reifegrad 4: Fähig und bereit). Ich geh zwar mit raus, aber er fährt alleine vom Hof. Mir klingt noch mein Satz im Ohr: „Wenn was ist, ich hab mein Handy an“ – man weiß ja nie.
Die von Hersey und Blanchard beschriebene Führungstheorie des situativen Führens (1977 und 2007) zählt zu den populärsten Führungsmodellen. Sie scheint einfach anzuwenden und hat sich in vielen Situationen als nützlich erwiesen. Das Modell ist sicher nicht das Allheilmittel für jede Führungssituation, ist aber in weiten Bereichen akzeptiert.
Es macht klar, dass unterschiedliche Mitarbeiter je nach Aufgabe unterschiedlich geführt werden können, und dass sich besser die Führungskraft an den Reifegrad der Mitarbeitenden anpasst, als zu erwarten, dass sich ein Mitarbeiter an den Führungsstil des Chefs anpasst.
Um Aufgaben gut zu meistern, braucht es Fähigkeiten und die Bereitschaft, diese einzusetzen. Aus der Kombination von Fähigkeit und Bereitschaft wird in diesem Modell der sogenannte Reifegrad einer Person abgeleitet – und der kann von Aufgabe zu Aufgabe verschieden sein. Situatives Führen schaut auf die Person in einer bestimmten Aufgabe, und dies ist wichtig: Denn etwas Bestimmtes (noch) nicht zu können bedeutet nicht, für Anderes nicht kompetent genug zu sein.
Viel Spaß beim begleiteten Fa(ü)hren
- Situativ Führen – eine Führungsgeschichte der Reifegrade - 5. September 2017
- Konsens finden in Gruppen - 7. September 2016
- Change in Führung - 14. September 2015
Hinterlasse einen Kommentar