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Im zweiten Teil unserer Veröffentlichung zu kult:agil wollen wir die Grundprinzipien des Vorgehens erläutern. Diese Prinzipien haben uns bei der Konzeption des Vorgehens geleitet und sollen Sie dabei unterstützen, das Vorgehenskonzept ganzheitlich zu verstehen.

Angelehnt an agilen Projektmanagement-Methoden haben wir kult:agil – den agilen Kulturprozess – entwickelt. Und können hiermit die zentrale Frage des „was nun?“ hinreichend beantworten. Der agile Kulturprozess basiert auf folgenden Grundprinzipien:

Der Kontext bestimmt das Verhalten

Kurz gesagt verhalten wir uns in unterschiedlichen Kontexten angepasst an die jeweils geltenden formellen und informellen Regeln. Bereits bei Kleinkindern lässt sich wunderbar beobachten, wie diese ihr Verhalten intuitiv dem Kontext anpassen, um ihr Ziel zu erreichen. Bei Oma und Opa muss sich das Kind anders als bei den eigenen Eltern verhalten, um beispielsweise ein kleines Geschenk zu erhalten. Das gleiche Phänomen finden wir in Unternehmen wieder. Es gibt Regeln, die für das gesamte Unternehmen gelten (die oftmals unbewusst vom Top Management oder noch aus der Organisations-Historie geprägt werden) und es gibt unterschiedliches „richtiges Verhalten“ in den unterschiedlichen Kontexten wie in einer bestimmten Abteilung, in Projekten oder in Entscheidungsgremien. kult:agil setzt darauf, die jeweils wirksamen Kontexte zu bearbeiten und den Diskussionsprozess auch dort zu verankern wie beispielsweise:

  •    Führungskräfte mit dem eigenen Linien-Team
  •    Schnittstellen, die in der Linie übergreifend arbeiten
  •    Projekt-Teams, die zeitlich begrenzt an einem übergreifenden Thema arbeiten
  •    Gremien, die fest installiert und übergreifend besetzt sind

Kleine Impulse, große Wirkung

Wir kennen es alle aus persönlichen Verhaltensänderungen: Man setzt sich ein Ziel, will sich tatsächlich verändern und nimmt sich sehr viel vor. Man zeichnet eine große Vision und will diese von heute auf morgen umsetzen. Die Erwartungshaltung ist enorm und das gleiche gilt für die Herausforderung, vor die man sich selbst stellt. Das Ergebnis ist leider oft, dass kontinuierlich die alten Muster – die zur Gewohnheit geworden sind – abgerufen werden und statt einer Veränderung eher Frust aufkommt. Das Vorhaben war einfach zu groß, um tatsächlich in Bewegung zu kommen…

Im agilen Kulturprozess versuchen wir kleine, aber wirkungsvolle Impulse zu setzen. Maßnahmen, die sich schnell und nachhaltig umsetzen lassen sorgen für unmittelbar sichtbare Erfolgsmomente. Gleichzeitig ist der Gesamtprozess von kult:agil so gestaltet, dass diese kleinen Impulse immer an der übergreifenden Veränderung ausgerichtet sind und sich die Gesamtorganisation harmonisch und systematisch in Richtung Ziel-Kultur bewegt.

Reflexion durch Iteration

Das zentrale Element von Kulturveränderung ist die gemeinsame Reflexion. Es werden in der Kultur typische und „richtige“ Verhaltensweisen und die dahinter liegenden informellen Regeln und Werte analysiert und besprechbar gemacht. Dies ist notwendig, um die notwendigen Veränderungen abzuleiten und entsprechend neue Regeln zu etablieren. Auch diese Fortschritte müssen immer wieder transparent gemacht und weiterentwickelt werden. Auch Rückschritte müssen legitim sein und frühzeitig als Quelle der Weiterentwicklung identifiziert werden.

Der agile Kulturprozess ermöglicht inhaltliche Iterationsschleifen. Somit werden die relevanten Themen wiederkehrend thematisiert und konkretisiert. Im Prozess ist somit ein stetiger Reflexionsmechanismus etabliert, der im Laufe der Zeit zur Selbstverständlichkeit innerhalb der betroffenen Teams wird. Die Organisation hat durch die Iterationen die Möglichkeit, sich stetig weiterzuentwickeln und damit die Zielsetzung systematisch anzupassen und zu gestalten.

Kulturarbeit kann nicht delegiert werden

Wir haben es oft erlebt und können es auch gut nachvollziehen: Das Thema Kultur ist bei den Entscheidern des Unternehmens platziert und wird als wichtig erachtet. Durch das operative Business bleibt jedoch keine Zeit, die Kulturarbeit mit der angemessenen Sorgfalt zu betreiben. Der Lösungsversuch ist dann oftmals, ein Projekt zu installieren oder die Verantwortung an den externen Berater abzugeben. Erwartet werden dann vorzeigbare Ergebnisse, die überprüft werden können. Das Problem ist jedoch, dass das Top Management (und in der Folge gerne auch die weiteren Führungsebenen) sich somit aus dem Prozess ausklinken, wobei sie selbst die relevantesten Kontext-Gestalter sind.

kult:agil sorgt durch seinen Aufbau und die Systematik dafür, dass alle relevanten Ebenen an dem Diskussionsprozess aktiv teilhaben. Die Gestaltungsmöglichkeiten werden auf alle diese Ebenen übertragen, sodass die Selbstverantwortung gefördert wird. Die Kulturarbeit wird somit nicht weg-delegiert, sondern genau dort verankert, wo die Veränderung auch wirksam stattfinden kann und muss. Dies erhöht zudem die Glaubwürdigkeit des Vorhabens und multipliziert dessen Wirkung.

Viel Aufwand, aber machbar

Kulturarbeit heißt immer Zeit und Ressourcen zu investieren. Die Analyse, die Diskussion und die Reflexion benötigen Zeit, Energie und Aufmerksamkeit. Oftmals entsteht der Eindruck, dass die Kulturarbeit „on top“ stattfinden muss. Also neben der normalen Linientätigkeit, die die meisten ja bereits ausreichend beschäftigt. Die Arbeit an der Kultur wird daher oft als zusätzlicher – teils lästiger – Aufwand betrachtet und es wird versucht, diesen Aufwand zu minimieren. Im klassischen Verständnis von Kulturarbeit braucht es ein bis zweitägige Workshops, um an der Kultur zu arbeiten. Zwischen solchen Workshops wird die Kultur jedoch nicht bearbeitet, sodass die Frequenz der Workshops erhöht werden muss, um größere Wirkung zu erzielen. Bis der Aufwand so groß wird, dass die Akzeptanz darunter leidet. Wer kann es sich in der heutigen, effizienzgetriebenen Zeit schon leisten, sich alle paar Wochen zu langen Kulturworkshops zu treffen?

Die Idee von kult:agil ist es, den Aufwand machbar zu gestalten und im Arbeitsalltag systematisch zu integrieren. Wir wollen nicht suggerieren, dass man Kultur mit wenig Aufwand verändern kann. Das ist schlicht unmöglich. Vielmehr geht es darum, kurze Settings zu gestalten, die regelmäßig implementiert werden können. Als fester Bestandteil des Arbeitsalltages, der von den anderen Tätigkeiten nicht ablenkt und der gleichzeitig bereits die Effizienz und die Zufriedenheit in der Zusammenarbeit erhöht. Die Aufmerksamkeit auf die Kulturentwicklung kann somit über einen möglichst langen Zeitraum aufrecht erhalten bleiben.

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