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Tanja Haupt und Thomas Boysen arbeiten als erfahrene ComTeam Consultants schon intensiv mit zahlreichen Kunden mit dem kult:agil-Prozess. Das sind ihre Erfahrungen.

1: Ihr habt das Vorgehen ja schon bei einigen Kunden eingeführt: wie können wir uns diese Projekte grob vorstellen?

TanjaMein Praxisbeispiel ist ein sehr großes und recht lang andauerndes Projekt. Allein die Analyse der IST-Kultur und der Findungsprozess der SOLL-Kultur dauerten 1,5 Jahre und schlossen eine Beteiligung vom „einfachsten“ Mitarbeiter bis zum Vorstand ein. Mindestens so lange wird der Umsetzungsprozess gehen. Für die Arbeit an der Kultur begleiten wir über 1.000 Team-Workshops auf allen Ebenen.

ThomasDann greife ich mal ein Beispiel kleinerer Dimension heraus. Ein Beispiel, das ganz aktuell ist und erst am Anfang des Prozesses steht. Das aber deutlich macht, wie wichtig neben der guten Struktur auch die richtige, die passende Geschwindigkeit ist.
Ein mittelgroßes Unternehmen aus der Finanzbranche: Im Rahmen von Change-Seminaren für die oberen Führungsebenen wird den Beteiligten immer deutlicher, dass die anstehenden erheblichen Veränderungen nur mit einem konsequenten und in die Breite wirkenden Kulturwandel zu bewerkstelligen sind. Im Moment laufen die ersten Ressort-Workshops, in denen die jeweiligen Vorstandsmitglieder mit „ihren“ Führungskräften bis hin zu den TeamleiterInnnen herausarbeiten, in welchen Kulturfeldern Weiterentwicklung notwendig ist. Allen Führungskräften ist dabei wichtig, erst einmal miteinander in Sachen Change und Kultur für eine gemeinsame Sprache zu sorgen, das agile Arbeiten an der Kultur in der eigenen Führungskaskade zu erproben und ihre Kompetenzen auszubauen. Das schafft Sicherheit für „die nächste Runde“: die Einbindung der weiteren Mitarbeiter.

2: Wie hast Du persönlich die Umsetzung erlebt: Was hat gut funktioniert, was war vielleicht auch mal schwierig?

TanjaWas sehr gut sowohl vom Auftraggeber als auch den Führungskräften und Mitarbeitern aufgenommen wird, sind die kurzen, über einen längeren Zeitraum gehenden Impulse in Form von halbtägigen Workshops, 10-minütigen Stand-up-Meetings oder verlängerten Teamrunden.

Als sehr wichtig für den Prozess und die Akzeptanz insbesondere auf Mitarbeiterebene erlebe ich in der Praxis die verschiedenen Quellen als Auslöser für die Arbeit an der Unternehmenskultur zu benennen. Dies sind z.B. die Unzufriedenheit mit der momentanen Form der Führung in der breiten Mitarbeiterschaft oder die sich rasant verändernden Rahmenbedingungen, wie z.B. Digitalisierung, Globalisierung, Wünsche und Anforderungen an Arbeit der Generation Y etc. Sich diese Auslöser immer wieder vor Augen zu führen hilft, den doch langen und intensiven Veränderungsweg in den Spielregeln der Zusammenarbeit und der Führung zu gehen.

Sehr herausfordernd erleben wir oft die Suche und das Erkennen der „Moments of Truth“. Hier muss der Blick auf das Team und die Themen der Zusammenarbeit gerichtet werden. Ein Ausweichen auf „die da oben“ und „die anderen“ geht nicht mehr so leicht. Zudem erfordert das bei jedem Teammitglied viel Reflexionsvermögen und eine hohe Übersetzungsleistung.

ThomasDie Führungskräfte suchen bei der Kulturarbeit den „Anpack“. Und auch die Mitarbeiter möchten wissen und merken, wo „die Schraube ist, die gedreht werden muss“. Die konkrete und zum Teil spielerisch anmutende Arbeit am Kulturprofil und das Herausfinden der zu pflegenden und der zu verändernden Kulturfelder machen den Menschen Mut, dass tatsächlich „was gehen könnte“.

Und die Vorstellung, dass da ein Vorgehenskonzept ist, das kleine Schritte bevorzugt, das Raum gibt für Ausprobieren, Erfahrungen sammeln und Rückkoppeln, die gibt die nötige Energie, um anzufangen.

Und dann wird’s manchmal schwierig: Als Führungskraft bin ich vielleicht daran gewöhnt, immer Alles im Griff zu haben und jetzt soll ich plötzlich experimentieren, etwas anfangen ohne zu wissen, was genau da rauskommen wird. Und auch die Mitarbeiter werden sich erst daran gewöhnen müssen, dass ihre Führungskräfte nicht auf alle Fragen und Probleme gleich die passende Antwort und Lösung parat haben. Wichtig ist es nach meiner Erfahrung, gerade in dieser Phase der Kulturarbeit, die Führungskräfte methodisch fit zu machen, sie gut zu begleiten und zu unterstützen.

3: Welche Eindrücke von den Kunden könnt ihr berichten?

Tanja: Auch wenn das Vorgehen von kult:agil perfekt auf den Bezug zu konkreten Arbeitssituationen und -themen, die Integration in den Arbeitsalltag und die nötige Nachhaltigkeit abgestimmt ist, kommen immer wieder Widerstände auf, auf die wir Kultur-Arbeiter professionell eingehen müssen. Allerdings sehen unsere Kunden und wir das sehr als Zeichen dafür, dass es kein „Alibi-Prozess“ ist. Die Führungskräfte und Mitarbeiter widmen sich ernsthaft dem Thema Arbeit an der Unternehmenskultur. Und wie man ja aus Praxis und Forschung weiß:  „Change is pain“.

Thomas: Kult:agil ist Idee, Haltung, strukturierter Prozess und Toolbox gleichermaßen. Und die Art der Anwendung, die Umsetzung in den verschiedenen Unternehmen, die ich bisher mit unserem agilen Kulturprozess begleiten konnte, war dabei höchst individuell. Und das ist es auch, was ich von unseren Kunden höre: sie schätzen sowohl die Struktur des Prozesses, welche Sicherheit, Dranbleiben und Wirkung schafft als auch die Flexibilität in der Handhabung, die es ermöglicht, die Kulturarbeit so zu gestalten, dass sie passgenau auf die bestehenden Gegebenheiten aufsetzt.