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Nach dem Vorstandswechsel haben wir mit Jürgen Hecker (CFO) und Alexander Gottein (CEO) gesprochen. Wir waren neugierig darauf zu erfahren, mit welchen Zielen und Gefühlen beide in den Rollenwechsel gehen. Heute veröffentlichen wir das vielseitige Ergebnis, das den für ComTeam bedeutenden Wandel als Ganzes beleuchtet.
Viel Freude mit diesem persönlichen Einblick.

Jürgen Hecker, CFO ComTeam AG (links) und Alexander Gottein, CEO ComTeam AG.
Lieber Jürgen, lieber Alex, zuerst einmal danke für Eure Zeit. Zu Beginn eine Frage an Dich, Jürgen: Denkst Du, dass Dir jetzt langweilig wird?
Jürgen Hecker: Gute Frage! (lacht) Einerseits werde ich mich weiterhin um zwei interne Themen kümmern: Finanzen und IT. Dahinter steht zum Beispiel die Begleitung unseres neuen CRM. Auf der anderen Seite werde ich weiterhin coachen und wieder in Change-Projekten unterwegs sein. Wenn ich daran denke, welche Gespräche ich für das kommende Halbjahr führe, wird mir sicher nicht langweilig.
Mit welchen Gefühlen gibst Du den Vorstand von ComTeam ab? Fällt es Dir schwer, diese Funktion loszulassen?
JH: Das mit den Gefühlen ist so eine Sache. Auf der einen Seite habe ich selbst diese Entscheidung getroffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Schritt, den Vorstand in die nächste Generation zu geben, der richtige ist. Auf der anderen Seite muss ich Dinge loslassen und aufpassen, mich nicht zu sehr einzumischen. Eine gewisse Demut ist mit vielen Schritten verbunden, aber auch das Bewusstsein, dass es genau der richtige Schritt ist. Es spielt Freude mit rein, dass ich die eine oder andere Aufgabe jetzt nicht mehr machen MUSS und im täglichen Tun nicht mehr so eingebunden bin.
Dinge brauchen Zeit: Veränderungen brauchen Akzeptanz und Beteiligung. Es ist wichtig, auf die Menschen zu hören. – Jürgen Hecker
Du hast in den 20 Jahren als Vorstand einigen Wandel erlebt. Kannst Du ein paar besondere Meilensteine der Veränderung bei ComTeam und bei Dir persönlich nennen?
JH: Ich versuche mal, mich auf das Wichtigste zu konzentrieren… (lacht). Angefangen hat es vor 20 Jahren mit der Umwandlung der GmbH in die AG. Die ersten 15 Jahre war ich nicht alleiniger Vorstand. Auch ein großer Meilenstein: 2008 der Umbau des ComTeam Hotels von einem althergebrachten Tagungshotel zu dem Hotel, das es heute ist.
Außerdem haben wir im Laufe der Zeit die Ausbildungen verändert. Von reiner Persönlichkeitsentwicklung, Moderation und Prozessmanagement hin zu Führungsaus- und Weiterbildung. Die wachsende Zahl der BeraterInnen ist ein markanter Punkt. Wir haben verschiedene Standorte gegründet: In meine Zeit fällt die Entwicklung und der Aufbau der ComTeamGroup. 2008 begonnen mit Österreich, später die Schweiz, dann kam die Gruppe in Berlin und die Büros in Düsseldorf. Ganz aktuell Frankfurt. Die Culturizer GmbH als Spin-off.
Zum Thema Wachstum: Veränderungsprojekte haben wir auch früher begleitet. Heute sind wir aber viel mehr in der Lage, Change-Projekte und Kulturentwicklungsprojekte in anderen Dimensionen durchzuführen. Und seit einigen Jahren ist natürlich auch bei uns Digitalisierung wichtig. Einerseits intern, andererseits auch in Bezug auf unsere Produkte und Beratung.
Mit Blick auf die Zukunft: Wie wird Deine zukünftige Arbeit bei ComTeam aussehen? Was verändert sich für Dich? Auf was freust Du Dich am meisten?
JH: Worauf ich mich besonders freue, ist meine Coaching-Themen wieder aufzugreifen, zu erweitern und wieder mehr in Projekten bei Kunden vor Ort zu sein. Für das Thema Finanzen und IT werde ich mehr Zeit haben als vorher. Ein kleiner Punkt, auf den ich mich freue, ist, dass ich aus vielen Regel-Meetings draußen bin. Das war terminlich oft eng. In Zukunft kann ich meine Zeit ein Stück weit mehr selbst gestalten.
An Stellen mit unterschiedlichen Positionen ist es wichtig, für Ausgleich zu sorgen und das Ziel dabei nicht aus den Augen zu verlieren. – Jürgen Hecker
Wenn Du Deine Zeit als Vorstand bei ComTeam resümierst: Welche Deiner Eigenschaften waren für Deine Aufgaben besonders wichtig?
JH: Ruhe bewahren zu können, war essenziell. Auch in herausfordernden Zeiten. An Stellen, an denen es unterschiedliche Positionen in Diskussionen gibt, ist wichtig, für Ausgleich zu sorgen und dennoch das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Manchmal geht man dafür Umwege. Mit „für Ausgleich sorgen“ meine ich auch, diplomatisch zu sein: Wen kann man wie einbinden? Und nicht zu versuchen, mit der Brechstange Ergebnisse zu erzielen.
Eine weitere wichtige Eigenschaft: ein langer Atem. Nicht darauf drängen, Ideen und Vorsätze in kurzer Zeit umzusetzen, sondern in die Zukunft blicken und wissen, in welche Richtung man will. Dinge brauchen Zeit, vor allem weil Veränderungen Akzeptanz und Beteiligung brauchen. Das heißt: Auf die Menschen hören!
Ein weiterer Blick in die Zukunft: Was rätst Du Alex für seine neue Rolle?
JH: Alex ist schon viele Jahre bei ComTeam und auch in der Geschäftsleitung. Zuerst möchte ich gerne sagen: Bleib so, wie Du bist! Führe die Art, wie Du Themen voranbringst und einbringst, genauso weiter. Das bedeutet, aus einer anderen Position heraus Themen zielstrebig zu verfolgen und dran zu bleiben. Dabei ist wichtig, nicht zu schnell zu werden. Essenziell: Menschen mitnehmen, Widerstände ernst nehmen und sich nicht einschüchtern lassen. Wenn Du Deine natürliche Art im Umgang mit Menschen beibehältst, ist ganz viel gewonnen!
ComTeam, das sind wertvolle Menschen, hohe Kompetenz, tolle Kunden. Diese Organisation führen zu können, darauf freue ich mich. – Alexander Gottein
Alex, Du hast selbst als Trainingsteilnehmer bei ComTeam begonnen, warst dann Akademieleiter und bist schon einige Jahre in der Geschäftsleitung. Was motiviert Dich für die neue Aufgabe?
Alexander Gottein: Als Erstes sicher mein ständiger Wunsch nach Weiterentwicklung. Ich glaube, der ist es, der mich zu ComTeam gebracht hat und mich mit dem Unternehmen verbindet. Für ComTeam ist Weiterentwicklung ein wesentlicher Wert und mir war das ebenfalls immer sehr wichtig. Ich bin sehr froh, diesen Weg in der neuen Rolle weitergehen zu können. ComTeam ist eine Organisation mit tollen Menschen, hoher Kompetenz und toller Kundenlandschaft. Diese Organisation in die nächste Phase führen zu können, darauf freue ich mich.
Wo liegen Deine Prioritäten für die erste Zeit als Vorstand?
AG: Ich greife gerne auf, was Jürgen gesagt hat. An vielen Stellen geht es darum, dran zu bleiben. Ich denke, wir haben die wesentlichen Themen, die uns als Organisation fordern werden, antizipiert und gehen sie stringent an. Wir haben für Vieles schon gute Antworten gefunden. Die Themen Digitalisierung, sowohl intern als auch in unserem Produktportfolio und das Wachstum in der Gruppe wird uns beschäftigen.
Ein weiterer wesentlicher Teil ist der Generationenwechsel, der durch unseren Rollenwechsel ausgedrückt wird. Er beschäftigt ComTeam aber auch in einer anderen Größenordnung. Dabei wollen wir besonders die Kompetenzen, die ComTeam über die Jahrzehnte aufgebaut hat stärken, ausbauen und weiterentwickeln. ComTeam ist eine Wissensorganisation.Wie wir dieses Wissen intern und unseren KundInnen gegenüber transferieren, wird Teil unserer Überlegungen bleiben.
ComTeam ist eine Wissensorganisation.Wie wir dieses Wissen intern und unseren KundInnen gegenüber transferieren, wird Teil unserer Überlegungen sein. – Alexander Gottein
Wie hast Du Dich auf Deine neue Rolle vorbereitet?
AG: Ich hab mir erstmal ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm bei einem Mitbewerber gebucht (lacht). Im Ernst: Ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe, mich so gezielt vorzubereiten, wie ich es im letzten Jahr getan habe. Nachdem Jürgen festgelegt hatte, dass seine letzte Vorstandsperiode bevorsteht, ist für mich die Möglichkeit entstanden, die Rolle aktiv zu füllen. Ich hatte unterschiedliche Hilfestellungen und Reflexionsmöglichkeiten, um für mich zu klären, wo ich diese Rolle anders interpretieren und was ich von Jürgen übernehmen möchte. Und: Es kann nicht alles im Vorfeld festgelegt werden, ein Teil kommt mit der Rolle.
Wichtig war auch, mein Umfeld vorzubereiten: wie meine Familie, die solche Entscheidungen mittragen muss. Ich hatte viele Gespräche mit Jürgen, dem Aufsichtsrat, den Aktionären, mit Menschen, die in meinem persönlichen Umfeld wichtig sind. Außerdem habe ich mir einen Coach genommen, um persönliche Herausforderungen besprechen zu können.
Jürgen und ich haben ein sehr gutes Miteinander gefunden, in dem er mir seinen Blick auf die Dinge nahegelegt hat. Das geschah mit der Freiheit und dem Loslassen, dass ich meinen Weg finde. So habe ich große Unterstützung erhalten und von Jürgens Erfahrung profitiert. Ich habe die Möglichkeit und das Vertrauen bekommen, Dinge anders machen zu können.
Ich werde versuchen, mir Feedback aktiv von MitarbeiterInnen einzuholen: Ich möchte ein zuverlässiges Gefühl dafür haben, welche Wirkung mein Handeln in der Organisation erzeugt. – Alexander Gottein
Möchtest Du Deine Art zu führen für diese Aufgabe aktiv verändern?
AG: Wenn es um die Mitarbeiterführung bei ComTeam geht, versuche ich weiterhin, auf Augenhöhe mit KollegInnen zu bleiben. Klar braucht es am Ende Entscheidungen und ich muss dafür sorgen, dass die zustande kommen. Trotzdem denke ich nicht, dass die Notwendigkeit besteht, mein Führungsverständnis komplett zu überarbeiten. Worauf ich achten möchte ist, dass Feedback, das ich als Vorstand bekomme, nicht weniger oder weniger offen wird. Ich werde versuchen, mir Feedback aktiv von MitarbeiterInnen einzuholen: Ich möchte ein zuverlässiges Gefühl dafür haben, welche Wirkung mein Handeln in der Organisation erzeugt.
Ihr habt Euch dafür entschieden, eine Übergangszeit zu gestalten, in der Du, Jürgen, noch Vorstand für Finanzen und IT sein wirst und Du, Alex, als Gesamtvorstand fungieren wirst. Was versprecht Ihr Euch davon?
AG: Diese Variante gibt uns die Möglichkeit, dass ich mich als Gesamtvorstand auf unsere zentralen Herausforderungen fokussieren kann und wir gleichzeitig Kontinuität im Bereich Finanzen und IT aufrechterhalten.
JH: Genau. Ergänzen kann ich, dass diese Übergangszeit bis Ende 2020 zeitlich begrenzt ist. Das ist auch ein deutliches Signal nach außen, wie wir bei ComTeam den Generationenwechsel handhaben. Es muss kein kompletter Sofortausstieg sein, sondern es darf auch diese Art von Übergang geben.
ComTeam hat viele Spezialgebiete: Welche sind Eurer Meinung nach besonders zukunftsträchtig?
JH: Ich glaube, Persönlichkeitsentwicklung wird weiterhin sehr zukunftsträchtig sein. Diese Disziplin ist zwar eingebettet in Themen wie Change-Management, Kulturentwicklung und die Rollen, die beteiligte Führungskräfte und MitarbeiterInnen in solchen Prozessen übernehmen. Aber all diese Dinge spiegeln sich auch immer auf die Persönlichkeit zurück. Wir begleiten dann diese Prozesse mit unserem methodischen und prozessualen Know-how.
Stichwort Digitalisierung?
AG: Wenn es um Digitalisierung geht, scheint eines sehr klar zu sein: Organisationen können diese Herausforderung, ohne explizit an ihrer Kultur zu arbeiten, kaum bewältigen. Es braucht ein neues Mindset, um sich mit diesem Thema zu beschäftigen: eine Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur. Mit den Stärken und mit Entwicklungsfeldern. Unser Bereich Kulturentwicklung bietet die notwendigen Antworten und ist entsprechend zukunftsträchtig.
Wie Jürgen betont hat, werden wir auch mit persönlichen Themen umgehen, die für das Individuum aus der Digitalisierung hervorgehen. Wir wollen und werden Raum dafür bieten, die Menschen darin zu stärken.
Ihr habt beide Töchter. Wenn die beiden von Euch wissen wollen, wie man beruflich erfolgreich ist, was würdet Ihr antworten? Alex, Du vielleicht dann erst in 15 Jahren …
JH: Meine Tochter steht gerade am Ende ihres Master-Studiengangs vor dem Berufseintritt. Wenn ich ihr einen Ratschlag mitgeben würde, dann wäre das: Nimm dir Ziele vor, die du dann auch verfolgst. Aber gleichzeitig: Sei offen, damit du Dinge, die sich links oder rechts auf diesem Weg befinden, siehst und wahrnehmen kannst. Wenn es auch das Ziel ist, Führungskraft zu werden und damit die weiblichen Führungskräfte zu stärken, dann ist mein Rat: Gehe in diese Rolle und bleibe dabei authentisch.
AG: Ja, bis dahin ist es ja noch ein bisschen hin (lacht). Aber wenn du mich jetzt fragst: Ich würde ihr antworten, dass sie als allererstes auf ihr Herz hören soll. Sie soll sich ausreichend Zeit geben, um zu entscheiden, was Erfolg für sie im Leben bedeutet. Dieser Begriff ist weit weg von reinem Karriereerfolg. Wenn ihr klar ist, was sie möchte, dann soll sie zielstrebig ihre Themen verfolgen. Und sie soll sich bloß nicht von mächtigen Männern beirren lassen, sondern ihren Weg als Frau gehen, Frau sein mit all der Stärke, die damit einhergeht.
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