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Ich habe während meiner Zeit als ComTeam Berater jede Menge Kulturentwicklungsprozesse begleitet. Oftmals ging es um die Frage, wie Innovation gefördert werden kann. Von Projekten über Start-up Accelerators bis hin zu Spin-offs (Ausgründungen): Es gab bei den meisten Kunden viele Möglichkeiten, um mehr Innovation zu erreichen. Mit Blick auf die Kultur der Gesamtorganisation habe ich oft abgeraten oder zumindest die potenziellen Fallen deutlich gemacht. Dazu später mehr.

Quelle: iStock

Nach eineinhalb Jahren als Geschäftsführer der Culturizer GmbH, einem (die Ironie bleibt nun wohl niemandem mehr verborgen) Spin-off der ComTeam AG, sehe ich die Dinge etwas anders. Was mich zur ursprünglichen Skepsis gegenüber Spin-offs (der Einfachheit halber reduziere ich auf diesen einen Faktor) geführt hat, ist Folgendes.

Die Organisation schafft einen neuen Kontext. Dieser dient explizit der Andersartigkeit und Innovation. Das funktioniert meistens – vor allem auf den ersten Blick – sehr gut: Es gibt großzügige Budgets, fancy Räumlichkeiten und tolle, moderne und querdenkende Menschen, die neuen Spirit versprühen. Verbindungen zur Gesamtorganisation und -kultur werden möglichst reduziert, damit die „alte und nicht innovative“ Kultur keinen Strich durch die Rechnung macht. Ab und zu gibt es co-kreative Events: Hier können die old-school MitarbeiterInnen und ManagerInnen so richtig über die Innovativität des Spin-offs staunen.

Unausgesprochene Botschaften

Damit konkret zu meiner Skepsis: Sie kommt aus den nicht-ausgesprochenen Botschaften solcher Vorhaben:

  • „Unsere bisherige Kultur schafft die notwendigen Innovationen nicht. Daher gründen wir etwas Neues.“
  • „Die sollen ruhig etwas Verrücktes machen, bei uns wird noch ordentlich gearbeitet.“

Oder an den Rest der Mannschaft, die bei der Organisation geblieben ist: „Für die Innovation sind die anderen zuständig. Euch trauen wir das nicht zu! Also weitermachen wie bisher.“

Und somit entsteht in der Gesamtorganisation ein gegenteiliger Effekt. Einzelne Inseln treiben Innovationen stark und nachweislich voran. Der Rest der Kultur und somit der Menschen wird eher daran gehindert, innovativer zu agieren.

Innovationskultur schaffen

Hier steckt so viel Potenzial! Ich habe in den oben beschriebenen Projekten immer dafür geworben, eine Kultur zu schaffen, in denen Innovation selbstverständlicher Bestandteil der Arbeit eines jeden einzelnen ist. Vielleicht nicht im radikalsten Sinne – in Summe um so wirksamer. Ich glaube nach wie vor fest daran, dass dies der einzig richtige Weg zur Kultivierung von Innovation in Unternehmen ist. Und somit die einfache Botschaft zu vermitteln:

„In euch allen steckt so viel Potenzial für Kreativität und Innovation. Lasst uns dieses gemeinsam nutzen!“

Doch warum haben wir bei ComTeam dann eine eigene Gesellschaft für ein neues Produkt gegründet? Ist das nicht genau die gleiche Logik? Und ist das am Ende der falsche Ansatz? Diese Fragen kann ich mittlerweile besser beantworten.

Wir haben die digitalen Tools zu Kulturarbeit zum größten Teil noch bei ComTeam entwickelt. Mit KollegInnen von ComTeam haben wir diese Innovationen erarbeitet. Um daraus eine Erfolgsgeschichte zu schreiben, hat es mehr gebraucht. Eine andere Entscheidungsgeschwindigkeit, ein neues Geschäftsmodell, eigenes Branding und neu definierte Zielgruppen. Und eine ordentliche Prise Unternehmertum. Sowie eine übergeordnete Idee, wie Unternehmenskultur zukünftig gestaltet und gelebt werden kann.

All dies steckt sehr konzentriert in der Culturizer GmbH mit einem Team, das mit voller Leidenschaft aus dieser Innovation neue Realitäten schafft. Das eigene Gefäß hilft enorm, solch einen Spirit und die konsequente Umsetzung langfristig zu etablieren.

Die Innovations-Falle umgehen

Und damit die kulturelle Innovations-Falle nicht zuschnappt, arbeiten wir von der Culturizer GmbH gemeinsam mit der ComTeamGroup intensiv daran, keine allzu große Kluft entstehen zu lassen. Dies ist nicht einfach und mit Sicherheit kein Selbstläufer. Es lohnt sich jedoch für alle Beteiligten umso mehr, diese Themen bewusst anzugehen. Drei Aspekte, die aus meiner Sicht bei diesem Vorhaben wichtig sind:

  • Wir haben im ersten Jahr die Autonomie der Culturizer GmbH bewusst forciert. Damit haben wir eine eigene Identität ermöglicht. Davon ausgehend gilt es zu sehen, wo Gemeinsamkeiten liegen und Synergien zu schaffen.
  • Wir haben nicht alle (Digitalisierungs-)Vorhaben ins Spin-off geschoben. Somit fordern und fördern wir Innovationen übergreifend: wie beispielsweise die ComTeam APP mit Seminarinhalten für unterwegs und die Web-Based-Trainings von ComTeam.
  • Wir verbinden regelmäßig die Menschen der einzelnen Einheiten und fördern so den Austausch in beide Richtungen.

Wenn mich Kunden mittlerweile fragen, ob ein Spin-off oder Ähnliches eine gute Idee für die Schaffung einer innovativeren Kultur ist: Meine Antwort wäre ähnlich skeptisch wie früher. Nur sehr viel differenzierter und vermutlich offener.

Dr. Georg Wolfgang

Geboren 1981 in München, ab 2010 Berater und Trainer bei der ComTeam AG und seit Februar 2018 Geschäftsführer der Culturizer GmbH.
In den etwas mehr als sieben Jahren als Berater bei ComTeam habe ich mich auf große und komplexe Veränderungsprozesse spezialisiert. Auch das Thema „Unternehmenskultur gestalten“ hat mich in dieser Zeit intensiv beschäftigt. So war ich konzeptionell bei der Entstehung und (Weiter-)Entwicklung des Kulturprofil-Indikator® dabei und habe viele kleinere und größere Kulturentwicklungsprozesse als Berater geplant und durchgeführt.
Seit 2017 treibe ich die Digitalisierung unseres Kulturansatzes voran. Hierbei ist der Culturizer® entstanden und mittlerweile darf ich mich in Vollzeit als Geschäftsführer und Gesellschafter der Culturizer GmbH mit diesem „Projekt“ beschäftigen. Hierbei bin ich vor allem für die Weiterentwicklung unseres Produktportfolios sowie den Vertrieb und die Positionierung dieser neuen Marke verantwortlich.
Bevor ich zu ComTeam kam war ich einige Jahre bei BMW in unterschiedlichen Funktionen tätig. Zudem habe ich im Bereich strategisches Management promoviert und bin mittlerweile auch als Lektor an der Hochschule tätig.
Privat verbringe ich meine Zeit am liebsten mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Meine Sportbegeisterung lebe ich im Sommer beim Kitesurfen und im Winter beim Telemarken aus.

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