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Veränderungsprozesse erzählen mit ihren Dynamiken und Emotionen oft spannende Geschichten. Manchmal sind es Dramen, manchmal aber auch Geschichten anderer Gattungen. Wie solch eine Geschichte auch musikalisch interpretiert werden kann, hat uns ein Teilnehmer unserer Change-in-Action-Ausbildung gezeigt. Angelehnt an das Change-Konzept von Kotter (http://www.kotterinternational.com/the-8-step-process-for-leading-change/), hat Guido Baur Change in einer Komposition auf spannende Art musikalisch umgesetzt.

 

CT: Guido, Du hast uns bei ComTeam sehr stark mit Deiner Change-Komposition beeindruckt: Erzähle uns doch zunächst ein wenig allgemein zu Deiner Person und Deinem Bezug zu Change und zu ComTeam?

Guido: Ich bin 51, verheiratet, 3 Kinder im pubertierenden Alter von 16, fast 15 und 11 (Junge, Mädel, Mädel). Aufgewachsen bin ich in der Eifel, in einem kleinen Ort nahe der luxemburgischen Grenze. Nach dem Abitur, einer zweijährigen Ausbildung zum „Fremdsprachen- und Wirtschaftskorrespondenten“ und anschließender Ausbildung zum Bankkaufmann wechselte ich nach Stuttgart zur damaligen Landesbank Stuttgart, der heutigen Landesbank Baden-Württemberg, bei der ich auch heute noch arbeite. Aktuell in der Funktion Managementberater, zuvor als Führungskraft im zentralen IT-HelpDesk.

Einer meiner Glaubenssätze lautet: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!“ Dennoch ist mein Verhältnis zu Change eher zurückhaltender Natur, obwohl ich im Laufe meines Arbeitslebens schon viele verschiedene Berufe ausgeübt habe. Bis Veränderungen von mir angegangen und umgesetzt werden, bedarf es einer langen Auseinandersetzung damit. So war der Jobwechsel in die Managementberatung kein spontaner Akt, sondern ein Prozess, der sich über fast 2 Jahre hingezogen hat. Allerdings, wenn die Entscheidung dann gefallen ist, setze ich sie mit viel Energie um. Das betrifft zumindest die Veränderungen, die ich beeinflussen kann.

Neue Mitarbeiter der Managementberatung werden auf Seminare zu ComTeam geschickt und ich bin sehr froh, dort meine Ausbildung bekommen zu haben bzw. noch machen zu dürfen. Es ist nicht nur der Ort oder das Essen, das die Seminare immer ein wenig nach Urlaub schmecken lassen, vielmehr sind es die Inhalte, die Haltung und vermittelten Werte, die in Übereinstimmung zu meinen Werten und denen der Managementberatung stehen.

1. CT: Und wie ist Dein Bezug zu Musik?

Guido: Musik ist immer schon ein Teil meines Lebens gewesen. Ich will nicht sagen „Music was my first love…“, aber sie war immer präsent und wichtig, sowohl passiv (hören) wie aktiv (selber spielen). Irgendwann hat mich das Erfinden von neuen Melodien mehr interessiert als das Nachspielen alter Meister (wobei Bach immer noch eine Quelle der Inspiration und das Fundament meiner Musik ist). Musik hören und/oder machen ist für mich eine sehr gute Möglichkeit, meine Akkus wieder zu füllen. Dabei hat sich das Improvisieren am Klavier als sehr gute Möglichkeit herausgestellt, Emotionen abbauen zu können. Also, mein Gemütszustand fließt 1:1 in die Tasten. Nicht selten entstehen dann daraus Musikstücke.

2. CT: Wie ist die Idee entstanden, die Stufen nach Kotter musikalisch darzustellen? Warum hast Du den Ansatz von Kotter gewählt?

Guido: Auf einem Change-Seminar, das ich noch in meiner alten Funktion als Gruppenleiter besucht habe, wurde auf den Artikel von Kotter verwiesen (Acht Kardinalfehler bei der Transformation), der 1995 im Harvard Business Magazin erschien. Just zu der Zeit erschien das Buch von ihm „Leading Change“ in deutscher Sprache, was ich mir dann auch zulegte. Das Thema war damals ganz präsent, da der IT-Bereich ausgegliedert werden sollte. Der Kotter-Prozess passte dazu „wie die Faust aufs Auge“. Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, wieso, weshalb und warum, kam ich auf die Idee mich mit diesem Prozess musikalisch zu beschäftigen. Ich war jahrelang in der IT mit diversen ITIL-Prozessen beschäftigt gewesen und es hatte niemals „Zoom“ gemacht, um einen Incident Management-Prozess oder Problem Management Prozess musikalisch darzustellen. Der Kotter-Prozess sprang mich wahrscheinlich deshalb an, da dieser Prozess sehr viel mit Menschen und damit mit Emotionen zu tun hat. Und Musik ist gleichbedeutend für mich mit Emotion! Ein ITIL-Prozess ist statisch und technisch. Der
Kotter-Prozess lebt und ist dynamisch.

3. CT: Was war das Spannendste an Deinem Vorhaben und wie aufwändig war es?

Guido: DAS Spannendste gab es nicht. Alles war spannend, weil vieles Neuland für mich war. Angefangen vom Einsatz eines großen Orchesters bis hin zum Finden einer musikalischen Sprache für die Darstellung des Prozesses. Meine Intention war es, den Prozess musikalisch abzubilden und ein selbständiges Stück Musik zu schaffen, das auch ohne Erklärung für sich steht. In dieser Phase festigte sich bei mir sehr schnell die Idee, mit einem „Leitmotiv“ zu arbeiten, das im Stück immer wieder auftaucht. Das Leitmotiv ist die Vision, die in Schritt 3 erarbeitet wird und die wichtig für den ganzen Prozess ist.

Die nächste spannende Frage war, welche Art von musikalischem Motiv braucht es jetzt? Eine neue Vision muss zugkräftig, kraftvoll, einfach zu verstehen und positiv sein. Von diesen Überlegungen ausgehend war das Finden eines Motivs relativ leicht: Eine kurze, nach oben (vorwärts) strebende Melodie, harmonisch unterlegt in einer Dur-Tonart. Herausgekommen ist dieses kurze Motiv , das im Stück noch fortgeführt wird. Der Beginn, diese 5 Töne, tauchen allerdings sehr häufig auf.

Ich habe dann überlegt, welche (Führungs-)Instrumente spielen dieses Motiv? Sind es eher die kraftvollen Instrumente wie Hörner, Posaunen oder Trompeten? Oder doch eher die empathischen, gefühlvollen, über die gesamte Klaviatur vertretenen Streicher? Oder können es auch lyrische Instrumente sein wie die Holzbläser? Ich habe mich bewusst für die dritte Variante entschieden. Mein Bild dahinter war, dass nicht jede Veränderung mit Fanfaren schmackhaft gemacht werden muss. Deshalb besteht die Führungskoalition (Schritt 2) aus Oboe, Flöte und Klarinette, also die leiseren und weicheren Instrumente eines Orchesters, die aber – und das zeigt sich im Verlauf des Stückes – durchaus durchsetzungsfähig und kraftvoll klingen.

Das Weiterentwickeln – sprich komponieren – der Teile nach Auftreten des Motivs, also ab Schritt 4, war relativ einfach. Geklärt werden musste noch, wer übernimmt das Motiv wann und in welcher Intensität. Wichtig war noch, dass nach Schritt 6 (Schnelle Erfolge erzielen) auch das Stück musikalisch erstmal am Ende zu sein scheint, um dann in Schritt 7 (Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen einleiten) mit erhöhter Intensität (durch zu Beginn einsetzende rhythmische Streicher) wieder „von vorne“ beginnt. Dies sollte verdeutlichen, dass nach Schritt 6 Veränderungsprozesse gerne zum Erliegen kommen, weil sich eben erste Erfolge einstellen.

Sehr spannend war für mich auch die Schritte 2 (Führungskoalition aufbauen) und 3 (Vision und Strategie entwickeln). Die Fragestellung für Schritt 2 war: Wie zeige ich mit musikalischen Mitteln den Aufbau einer Führungskoalition? Wie es nun mal im realen Leben ist, die Koalition setzt sich zusammen an den Tisch (Oboe, Flöte und Klarinette) und irgendeiner – in diesem Fall die Oboe – fängt an zu spielen (zu reden). Es kommt eine andere Meinung hinzu (Flöte) und noch eine (Klarinette). Diese drei Stimmen reden zu Beginn noch nicht eine Sprache. Jeder spielt seine eigene Melodie. Am Ende findet man einen Konsens. Das wird musikalisch durch harmonische Dreiklänge dargestellt.

Wie untermale ich musikalisch die Entwicklung einer Vision? Dabei hatte ich folgendes Bild vor Augen: Eine Nebellandschaft ohne feste Konturen (sphärische Chorklänge), in der Ferne erkenne ich unscharfe Konturen, der Neben lichtet sich und aus Nebel schält sich die Vision heraus und wird klar. Die Oboe spielt die Vision (das Leitmotiv) mehrfach, das Motiv wird dann von Flöte und Klarinette übernommen.

Mitten im Entstehungsprozess kam mir die Idee von einem Schritt 0, den es bei Kotter so nicht gibt, für mich aber die Ausgangssituation darstellt, warum es zu Veränderungen kommt, kommen muss. Zu der Zeit standen große Firmen vor dem Aus: Schlecker, Nokia, Karstadt und ich dachte mir, hier hat es das Management nicht gemerkt, dass die Welt sich verändert hat. Daraus entstand das unbeschwerte Motiv in Schritt 0 und das bewusste Spielen von Fehlern, die keiner bemerkt: Es wird einfach weitergespielt…

Die Frage „Wie aufwändig war es?“ lässt sich schwer beantworten. Da ich nicht jeden Tag mit gleicher Intensität an dem Projekt habe arbeiten können (Beruf und Familie lassen das schwerlich zu…) und ich auch keine Buchführung betreibe, kann ich nur sagen, dass das Stück in einem Zeitrahmen von 3-4 Monaten entstanden ist.

4. CT: Was bedeutet Dir das fertige Werk?

Guido: Es ist möglich, bzw. mir ist es möglich, Prozess-Musik zu schreiben! Nebenbei bemerkt, der Begriff „Prozess-Musik“ existiert so nicht. Selbst Google findet nur einen Beitrag in der englischen Wikipedia zu diesem Begriff. Dort wird dieser Begriff allerdings anders definiert, als ich es tue (Abbildung von [Arbeits-] Prozessen in Musik). Voraussetzung ist, der Prozess muss emotional geladen sein! Deshalb geht es nicht mit jedem Prozess.

Wenn man eine solche funktionale Prozess-Musik schreibt, dann stellt sich – ähnlich wie in der Filmmusik – die Frage: Was steht im Vordergrund? Die Unterstützung des Prozesses durch die Musik oder die Musik selbst? Filmmusikkomponisten wie John Williams zeigen, dass beides möglich ist. Ich denke, dass die Change Management Suite als musikalisches Werk für sich stehen kann und auch in der Lage ist, den Prozess zu Gehör zu bringen. Aus diesen Gründen heraus bin ich froh und glücklich, das Wagnis eingegangen zu haben. Ob die Musik einem gefällt oder nicht, das darf jeder Hörer für sich entscheiden.

5. CT: Gibt es sonst noch etwas, was Du uns auf den Weg geben möchtest?

Guido: Nachdem ich mich lange nicht mehr mit der „Change Management Suite“ beschäftigt habe, könnte ich mir durchaus vorstellen, noch andere Prozesse musikalisch umzusetzen. Tuckmans „Teamuhr“ produziert einige Bilder in meinem Kopf. Ich lasse mich mal überraschen….

Für alle Technik affinen Menschen: Das Stück wurde komplett virtuell in einem Windows-7-Rechner aufgenommen (I7-920 Prozessor mit 16GB RAM, SSD-Festplatten). Die einzelnen Stimmen wurden über ein MIDI-Keyboard eingespielt und innerhalb der Software Cubase bearbeitet und zusammengemischt. Zum Einsatz kamen ausschließlich „virtuelle Instrumente“ (Software Libraries) der Firmen Native Instruments (Komplete Library), EastWest (Symphonic Orchestra), Audiobro (L.A. Scoring Strings), Soundiron (Olympus Elemen).

Dr. Georg Wolfgang

Geboren 1981 in München, ab 2010 Berater und Trainer bei der ComTeam AG und seit Februar 2018 Geschäftsführer der Culturizer GmbH.
In den etwas mehr als sieben Jahren als Berater bei ComTeam habe ich mich auf große und komplexe Veränderungsprozesse spezialisiert. Auch das Thema „Unternehmenskultur gestalten“ hat mich in dieser Zeit intensiv beschäftigt. So war ich konzeptionell bei der Entstehung und (Weiter-)Entwicklung des Kulturprofil-Indikator® dabei und habe viele kleinere und größere Kulturentwicklungsprozesse als Berater geplant und durchgeführt.
Seit 2017 treibe ich die Digitalisierung unseres Kulturansatzes voran. Hierbei ist der Culturizer® entstanden und mittlerweile darf ich mich in Vollzeit als Geschäftsführer und Gesellschafter der Culturizer GmbH mit diesem „Projekt“ beschäftigen. Hierbei bin ich vor allem für die Weiterentwicklung unseres Produktportfolios sowie den Vertrieb und die Positionierung dieser neuen Marke verantwortlich.
Bevor ich zu ComTeam kam war ich einige Jahre bei BMW in unterschiedlichen Funktionen tätig. Zudem habe ich im Bereich strategisches Management promoviert und bin mittlerweile auch als Lektor an der Hochschule tätig.
Privat verbringe ich meine Zeit am liebsten mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Meine Sportbegeisterung lebe ich im Sommer beim Kitesurfen und im Winter beim Telemarken aus.

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