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Neulich feierte meine Tochter ihren Geburtstag. Ihre Freundin Anna fragte: „Lilli, darf ich neben Dir sitzen?“ Eine andere Freundin – Marie – fragte: „Darf ich?“ Das ging den Geburtstag so weiter: beim Kuchenessen, beim Basteln, beim Pizza backen. Das Geburtstagskind darf entscheiden – ganz klar. Wer schon einmal einen Kindergeburtstag erlebt hat, kann das vielleicht bestätigen: Die Macht zu entscheiden, ist eindeutig festgelegt.

Mächtige Diktatoren und verantwortungsvolle Krankenschwestern

In der Führungsrolle ist das ähnlich. Es gibt nur einen Unterschied: Insbesondere junge Führungskräfte sind sich dessen häufig nicht bewusst. Sie sind sich ihrer Macht, Einfluss zu nehmen, nicht bewusst. Oft lehnen sie Machtausübung sogar ab, weil sie sie als manipulativ betrachten. In meinen Führungsseminaren und -coachings merke ich das immer wieder, wenn das Thema „Macht“ auftaucht.

Wenn ich von Macht spreche, meine ich „legitime“ Macht. Sie ist adäquat zur Verantwortung. Diktatoren beispielsweise haben ungeheuer viel Macht, handeln aber meistens verantwortungslos. Krankenschwestern haben viel Verantwortung, aber nur wenig Macht in der Krankenhaushierarchie. Jeder nutzt seinen Einfluss, um Ziele im Rahmen des eigenen Verantwortungsbereichs durchzusetzen. Junge Führungskräfte sind sich jedoch oft nicht klar darüber, aus wie vielen unterschiedlichen Quellen sie Macht schöpfen können. Sie verlieren dadurch zahlreiche Möglichkeiten, wirkungsvoller zu agieren.

„Darf ich neben Dir sitzen?“

Stelle Dir vor: Dein Mitarbeiter hat heute Abend ein wichtiges privates Date. Du benötigst ihn, um mit ihm am Abend noch eine wichtige Präsentation für den Vorstand fertigzustellen. Auf welche Art und Weise kannst Du nun Macht anwenden?

Du kannst sagen: „Ich als Deine Führungskraft möchte, dass Du heute Abend im Büro bleibst!“ Hier nutzt Du die Quelle der Position. Die Quelle des Wissens kann sich so anhören: „Aufgrund meiner Erfahrung hier weiß ich, dass dein Einsatz heute Abend sehr große Wirkung erzielen wird.“ Aus der Quelle des Netzwerks gesprochen: „Ich kann nochmal mit dem Vorstand klären, wie wichtig ihm ist, dass Du bleibst.“ Bei der Quelle der Mehrheit hört sich das zum Beispiel so an: „Alle, die bei uns im Unternehmen Karriere gemacht haben, mussten mal private Termine verschieben.“

Bestimmt ist es Dir schon einmal begegnet, dass Deine Führungskraft aus Überzeugung gesprochen hat. Hier wirken weniger die Worte. Hier wirkt die Ausstrahlung und der feste Glaube an etwas. Nicht selten schließen sich Menschen dieser Überzeugung an. Die Worte überzeugter Führungskräfte können sich so anhören: „Es wäre super, wenn Du bleibst – denk mal, welch klasse Eindruck wir hinterlassen, wenn wir hier eine tolle Präsentation abliefern.“

„Mach es für mich“

Führungskräfte besitzen auch Befugnisse über Ressourcen. Der Einsatz der Ressourcen könnte so aussehen: „Wenn Du heute Abend länger bleibst, dann kannst Du morgen Homeoffice machen.“ Indem ich über beispielsweise Zeitbudgets bestimmen kann, kann ich als Führungskraft so agieren.

Eine häufig indirekt wirkende Quelle ist Zugehörigkeit. Ich gehöre zu einem „angesehenen“ Team im Unternehmen, bin auf eine besonders gute Uni gegangen oder habe bei einer renommierten Agentur gearbeitet: Meine Meinung zählt also und ich darf Einfluss nehmen. Aus der Beziehung heraus Einfluss auszuüben, kann sich so anhören: „Ich bitte Dich, das wäre einfach super, wenn Du das für mich machen würdest…“

Von Manipulation und individuellen Präferenzen

Auf gar keinen Fall ist der Einsatz einer dieser Quellen manipulativ. Ich handle in einer guten Balance aus Macht und Verantwortung. Ich benötige die Unterstützung meines Mitarbeiters nicht, weil ich vorher schlampig gearbeitet habe oder weil ich keine Lust habe, alleine im Büro zu bleiben. Sondern mit Blick auf die Ziele und Erfordernisse handle ich verantwortungsvoll und damit nicht manipulativ.

Jeder von uns hat bevorzugte Quellen, meistens ein bis zwei, die wir gerne und gut einsetzen. Jeder von uns hat Quellen, die wir ablehnen nach dem Motto: So kann man doch nicht agieren. Und jeder von uns hat Erfahrungen mit Manipulation. Die Reflexion darüber und der gute Einsatz von Macht ist mitentscheidend für die Klarheit, die ich als Führungskraft ausstrahle.

In unseren Führungstrainings und Akademieseminaren, wie z.B. Macht 3.0 legen wir unseren TeilnehmerInnen diese Erkenntnisse ans Herz und bieten konkretes Handwerkszeug, dass bei der Umsetzung unterstützt. Aus unserer Überzeugung heraus, dass Menschen  verantwortungsvoller und wirkungsvoller mit „Macht“ umgehen können.

Kerstin Kromer

Ich bin in Oldenburg 1969 geboren und dort sowie in Seattle, USA, zur Schule gegangen. Auf einer Tour von Bonn (Lehre als Hotelfachfrau) über München (BWL-Studium) und San Francisco (2-jähriges MBA-Studium mit Schwerpunkt International Management als Fulbright-Stipendiatin) bin ich 1996 in die bayerische Metropole zurückgekehrt und habe drei Jahre bei einer Strategieberatung überwiegend in der Telekommunikationsbranche gearbeitet.
Bei ComTeam bin ich seit 1999 in der Beratung von Menschen in Veränderungsprozessen engagiert. Ich konzipiere und leite firmeninterne Seminare oder Programme zu Themen wie Führung, Change Management oder Kommunikation. Zielgruppen sind erfahrene Führungskräfte, die sich weiter qualifizieren, sowie junge Führungskräfte, welche für die erste Leitungsposition fit gemacht werden.
Als Beraterin navigiere ich Großgruppen durch Veranstaltungen, arbeite mit Coaching-Klienten an persönlichen Themen und begleite Teams bei Strategie-Workshops, in Entwicklungsprozessen oder schwierigen Situationen.
Ich bin gerne und häufig in internationalen Gruppen und auf Englisch unterwegs, da mich unterschiedliche Perspektiven und Kulturen nach wie vor faszinieren. Leidenschaftlich gerne integriere ich „SolutionsFocus“, also lösungsorientiertes Denken und Handeln in mein Arbeitsleben.
Seit 2006 arbeite ich von Düsseldorf aus – mit großem Spaß an meiner Doppelrolle als Beraterin und Mutter einer süßen Tochter. Trotz der Mobilität im Job reise ich auch privat sehr gern – insbesondere nach Afrika.

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