Geschätzte Lesezeit: 6 Minute(n)
Die erste digital geführte Culture Conference hat vor wenigen Wochen stattgefunden: Im Rahmen einer zweitägigen ‚Global Management Conference‚ eines großen Maschinenbauers. Mit 150 Führungskräften aus aller Welt, mit etwa sechs Stunden Aufwand, in englischer Sprache und mit ermutigenden Resultaten. Digitalisierung ist nicht nur Anlass, wenn es um Kulturarbeit geht. Sie ist auch Werkzeug.
Gewohnheiten versus Kulturarbeit
Wenn ein Thema nach Räucherstäbchen duftet, dann ist das „Kulturarbeit“. Man denkt an Nettigkeiten, an gesittetes Benehmen, an die softesten der soft facts. Doch der Kern von Unternehmenskultur ist ein völlig anderer – es ist die Frage: Sind Gewohnheiten, Gepflogenheiten und Überzeugungen der Führungskräfte eines Unternehmens zukunftsfest – mit Blick auf die Herausforderungen und Megatrends einer Branche?
Die Fragen der Kulturarbeit
- Sind wir innovationsbereit genug (oder zu stolz auf vergangene Erfolge)?
- Sind wir international genug (oder zu exklusiv verbunden mit den heimischen Werken)? Sind wir schnell genug im Vergleich zu den Wettbewerbern?
- Sind wir agil genug in den komplexen Projekten?
- Sind wir attraktiv genug für die heutigen Absolventen? Sind wir ökologisch genug für immer umweltbewusstere Gesellschaften?
- Sind wir liberal und wertefest genug fürs Zusammenarbeiten über Länder-, Religions- und Sprachgrenzen hinweg?
Dies sind die eigentlichen Fragen der Kulturarbeit. Jede Führungskraft, jeder Ingenieur und jeder Kaufmann kann ausrechnen, was passiert, wenn man mehrere dieser Fragen nicht sicher mit „Ja“ beantworten kann. Die Liste der Unternehmen, die heute keine Rolle mehr spielen, ist lang und die Namen waren prominent. Das, weil ihre Entwicklungs-Bereitschaft zu gering war…
So schaut’s aus: Der Kulturprofil-Indikator® ONLINE
24 Tische mit je sechs oder sieben Führungskräften, darauf je ein brandaktuelles Tablet mit Stift und 24-Zoll-Monitor: So sieht die digitale Konferenzumgebung aus. Und als Software-Tool holen wir die digitale Umsetzung eines Unternehmenskultur-Diagnoseworkshops ins Browserformat.
Was digital viel besser funktioniert ist das Zusammenführen, das Vergleichen und Interpretieren der Ergebnisse zur Unternehmenskultur aus 24 Gruppen. Und die Einsicht, dass wichtige Faktoren der Unternehmenskultur über Ländergrenzen hinweg ähnlich eingeschätzt werden, bringen alle Beteiligten ins Staunen.
Den digitalen Prozess der Kulturdiagnose, der Erarbeitung einer Ziel-Kultur und das Nachdenken über die relevanten Themenfelder zur Gestaltung der Unternehmenskultur haben wir in drei Workshops organisiert. Jedem Workshop in den Tischteams folgte dann eine „Vergemeinschaftung“ und ein Dialogprozess zwischen Topmanagern und Führungskräften.
Workshop 1: Analyse IST-Kultur und Stärken
Workshop 1 startete, nachdem Vorstände und Bereichsleiter Ergebnisse und Herausforderungen des aktuellen Geschäftsjahres skizziert hatten. Nach einem kurzen Intro-Vortrag erklärten wir, wie der nun folgende Ablauf ist:
Die Teilnehmenden sollen die gegenwärtig erlebte Unternehmenskultur mit Hilfe von 25 Fragen (mit je vier Antwortoptionen) abbilden. Das dauert bei guten Diskussionen, warum die eine oder die andere Antwort die angemessenste ist, etwa eine Stunde. Das Ergebnis ist ein Kulturprofil, das der Gruppe zeigt, in welchem Kulturstil sie ihren Schwerpunkt haben.
Im dritten Schritt geht es darum herauszufinden, welche Stärken mit der bestehenden Unternehmenskultur verbunden sind. Das ist wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, dass man alles ändern müsse, um endlich zu einer guten Unternehmenskultur zu kommen; denn es bleibt ja auch bei der Kulturarbeit viel Bewährtes erhalten, WEIL man eine erfolgreiche Geschichte hat…
Wird Unternehmenskultur ähnlich wahrgenommen?
Nach dem ersten Workshop wurde es spannend: Wie aussagekräftig, wie ähnlich oder verschieden sind unsere Einschätzungen der Unternehmenskultur? Auf dem großen Schirm im Kongresssaal deckten wir Schritt für Schritt auf, wie die Gruppen gewählt hatten:
Die einzelnen Teamprofile wurden sichtbar, dann das Durchschnittsprofil der Teams und am Schluss die Einschätzung der Boardmitglieder. Und alle waren überrascht, wie nah beisammen alles in allem die Einschätzungen der Unternehmenskultur lagen – über 24 Gruppen aus Führungskräften und über alle Kontinente hinweg.
Ähnlich sahen die Teilnehmer auch die Stärken, die im IST-Profil lagen: Ein WORDLE bildet die Begriffe oft genannter Begriffe größer ab als die seltenen. Bei 150 teilnehmenden Führungskräften kommen genug Begriffe zusammen, dass man das Spezifische gut herauslesen kann.
Workshop 2: ZIEL-Kultur und Herausforderungen
In Workshop 2 ging es um die Zielkultur. Nachdem die Top 5 Herausforderungen für das Unternehmen und die Branche ausgiebig diskutiert worden waren, war die Frage, wie die „strategic skills“ zu ihrer Bewältigung eingeschätzt werden, und was bereits gekonnt und was erst noch gelernt und entwickelt werden muss.
Mit diesen Überlegungen im Blick ist die Frage nach der Zielkultur kein Wunschkonzert. Sondern es geht darum einzuschätzen, mit welcher Unternehmenskultur und damit mit welchem Kulturstil die Zukunft besser bewältigt werden kann als mit dem gegenwärtigen. Diese Diskussion füllte die zweite Stunde in den Workshops.
Hier lagen die Ergebnisse zur Unternehmenskultur, die beim Vergemeinschaften sichtbar wurden, noch näher beisammen als bei den IST-Kulturen. Und der Unterschied zwischen IST- und ZIEL-Kultur war offensichtlich: Die größte Lücke klafft bei der Innovationskultur. Und sogleich wurde das Spannungsfeld sichtbar, dass das Board weiterhin klare Strukturen und Prozesse für wichtig befand. Der Vergleich von IST- und ZIEL-Kultur zeigt damit den Fokus der Kulturarbeit.
So muss ein Maschinenbauer, bei dem Kosten, „Lean“ und Skalierbarkeit wichtige Produktivitätsfaktoren sind, dennoch Raum für Innovation und Entwicklung schaffen. Uns hat das gleich an Kotters These der „Kultur der zwei Betriebssysteme“ erinnert, mit der wohl jedes große industrielle Unternehmen zurechtkommen muss. Die Zeit der einfachen Lösungen ist vorbei.
Themenfelder erarbeiten statt Aktionismus lostreten
Die Zeit der einfachen Lösungen ist vorbei: Das galt auch für den nächsten Schritt. So groß wäre die Verführung, jetzt noch schnell ein paar Quick Wins und Action Points zu brainstormen, und alles wäre gut. Doch das wollten unsere Auftraggeber (zum Glück) nicht.
Keine vorschnellen Action Plans, die nur Staub aufwirbeln ohne das Problem verstanden zu haben. Sondern zunächst ein Bewusstsein dafür entwickeln, über welche Themen und Fragestellungen gründlich nachgedacht werden muss, bevor man Zeit in Umsetzungen investiert. Das herauszufinden war die Aufgabe der Führungskräfte im Workshop 3.
Workshop 3: Initiativen entwickeln
Die Führungskräfte hatten die „Challenges“ vor Augen und worin sie noch nicht gut genug waren, diskutierten gründlich Themen und Probleme und trugen dann Ideen für Themen und Initiativen zusammen, die der angestrebten Unternehmenskultur Vorschub leisten würden.
Dann wurden sie aufgefordert, jedes Thema nach drei Kriterien einzuschätzen: Nach seiner Wirksamkeit im Befördern der Zielkultur, nach seiner Umsetzbarkeit und nach seinem Grad der Zielorientierung. Das gab gute Orientierung ohne vorschnelle Hektik. So entstanden Themenfelder wie…
- Wie implementieren wir eine Kommunikationskultur jenseits von Emails und SMS?
- Wie identifizieren und beenden wir Regulierungen, die nur der Kontrolle dienen (anstatt der Qualität…)?
- Wie bekommen wir es besser hin, mit Risiken und Fehlern professioneller umzugehen?
- Wie müssen wir Projekte starten, dass ein „Out-of-the-box“- Fokus am Anfang steht und neuartige Lösungen befördert?
Und viele andere Themen mehr. Eine Präsentation aus jeder Gruppe mit ihrer „besten“ Idee, und zwar auf einem Whiteboard im System digital gezeichnet, beschloss den dritten Workshop. Und dann war allen klar, dass die eigentliche Arbeit erst losgeht. Doch ein Anfang war gemacht und „das Feuer entfacht“.
Die Zukunft beginnt jetzt
Für uns ComTeamer war das – von der Idee, Unternehmenskultur digital zu gestalten, bis zur Premiere – ein aufregendes Unterfangen. Vieles an der ersten Digital Culture Conference war inhaltlich wie technologisch Neuland:
Zum einen sind die Workshopabläufe in enger Zusammenarbeit mit den HR-Partnern beim Kunden entstanden: Sie waren die zentralen Elemente für eine didaktische Qualität, die es auch Ingenieuren möglich machte, kompetent und vergnüglich über Unternehmenskultur zu diskutieren. Daran haben unsere internen HR-Partner einen entscheidenden Anteil.
Doch die technische Umsetzung, die Bedienbarkeit in Zweisprachigkeit, die Abhängigkeit von WLAN-Bandbreiten und Serverkapazitäten kosteten uns den ein oder anderen Schweißtropfen. Aber es hat sich gelohnt: Alle TeilnehmerInnen waren extrem zufrieden und inspiriert und gaben der digitalen Veranstaltung ausschließlich beste Noten.
Und nun? Wir haben jetzt ein Vorgehen zur Verfügung, mit dem wir die Entwicklung von Unternehmenskultur in großen Gruppen, mehrsprachig, modular mit verschiedenen Abläufen und vor allem im zeitgemäßen digitalen Format durchführen können. Diese Zukunft hat begonnen.
Sie wollen auch die Kulturarbeit in Ihrem Unternehmen oder bei Ihren Kunden digital begleiten und entwickeln? Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben, dann wenden Sie sich bitte direkt an unser Office in Gmund:
- Digital Culture Conference. Bericht einer Premiere - 31. Mai 2017
- Interview mit zwei Unternehmenskultur-Profis - 18. Januar 2016
- Der „Erfolgsfaktor Unternehmenskultur“ im Mittelstand - 6. Dezember 2015
Hinterlasse einen Kommentar