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Berliner Mauer, Quelle: Wikipedia
Die zwei Jahrzehnte nach Ende des 2. Weltkrieges waren einerseits gekennzeichnet vom sich zuspitzenden Ost-West Konflikt, der zwei Höhepunkte erreichte: Die Berlin-Krise mit dem Bau der Mauer (1961), und die Kubakrise (1962). Andererseits waren diese Jahre aber sowohl in den USA als auch in Westeuropa von Aufbruchsstimmung gekennzeichnet. 1960 wurde J.F. Kennedy in den USA zum Präsidenten gewählt, den vor allem auch die Schwarzen, die um ihre Rechte kämpften, als Hoffnungsträger sahen. Die Bürgerrechtsbewegung war neben dem Vietnamkrieg dort das beherrschende innenpolitische Thema.
In der Bundesrepublik Deutschland war durch die Studentenbewegung das Augenmerk mehr und mehr auf verkrustete Strukturen gelegt worden und dieses Aufbegehren war auch ein Kennzeichen, das sich in der sogenannten Humanistischen Psychologie wiederfindet.
Musik: David Bowie, Punk, Bruce Springsteen; Mainstream: Pink Floyd, Bee Gees, Abba, Michael Jackson
Filme: Blade Runner, Es war einmal in Amerika
Die wichtigsten Humanistischen PsychologInnen und ihr Wirken

Fritz Perls, Quelle: Wikipedia
Die 1961 in den USA gegründete AHP (Association for Humanistic Psychology) war entstanden aus einer Protestbewegung und Abgrenzung zur Psychoanalyse und Verhaltenstherapie. Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie beschrieb dies so:
„Es ist die Idee, den ganzen Menschen unserer Zeit zum Leben zu erwecken und ihn zu lehren, wie er seine inneren Kräfte nutzen kann, um ein Führer zu sein, ohne ein Rebell zu werden, eine Mitte zu haben und nicht Hals über Kopf zu leben.“
Die Möglichkeit des seelischen Wachstums stand im Mittelpunkt. Nicht der Blick auf die psychische Störung war der Fokus, sondern die Idee, dass in uns allen ein nicht ausgeschöpftes Entwicklungspotential schlummere. Um dieses Entwicklungspotential zu entfalten ist es nötig, die Lebensqualität so zu verbessern, dass ein Leben in emotionaler Ausgeglichenheit, Kreativität und Erfüllung möglich ist. Doch war das nicht nur eine individuelle Angelegenheit, sondern es sollte sich auf lange Sicht eine Kultur der wechselseitigen Potentialförderung entwickeln, die einen positiven gesamtgesellschaftlichen Effekt haben würde. Man wollte einen Beitrag zu einer menschenwürdigeren Umwelt leisten, welche sowohl die Entfaltung des Einzelnen als auch die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft fördern sollte. Starke Impulse gingen zu Beginn unter anderem von Abraham Maslow und Carl Rogers aus. Carl Rogers betonte die Einzigartigkeit des Individuums und die empathische Begegnung durch verstehendes Zuhören.
Zu den wichtigsten Vertretern der Humanistischen Psychologie zählen außerdem Jacob Levy Moreno, auf den das Psychodrama zurück geht, Virginia Satir, die die systemische Familientherapie begründete, Milton Erickson, der Gründer der Hypnotherapie, Ruth Cohn mit ihrem themenzentrierten Ansatz sowie Bandler/ Grinder, die als die Gründer des NLP angesehen werden. HAKOMI, ein von Ron Kurtz in den 1970er Jahren entwickelter Ansatz integrierte die körperbezogenen Ansätze von Wilhelm Reich und Alexander Lowen, sowie Achtsamkeit in die psychotherapeutische Arbeit.
So unterschiedlich die verschiedenen Ansätze auch sind, so liegt ihnen doch ein ähnliches Menschenbild zugrunde, in dem das Entwicklungspotential des Menschen eine zentrale Rolle spielt.
5 grundlegende Postulate sind kennzeichnend:
- Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile.
- Es wird der Mensch in seinen sozialen Bezügen gesehen, nicht als Einzelwesen.
- Ein Wesensmerkmal des Menschen ist es, dass er Bewusstheit über sich selbst erlangen kann.
- Der Mensch ist in der Lage zu wählen, sich zu entscheiden und sich zu wandeln.
- Der Mensch lebt intentional, also zielgerichtet, zielorientiert; es gibt in uns eine Kraft, die wachsen und sich entfalten will.
Mit diesem Ansatz ist nicht mehr der deutende Therapeut der alleinige Experte, sondern der Klient ist es ebenso. Der Therapeut bietet sich auch als Person an, ist empathisch und hat eine akzeptierende Haltung, die wirklich verstehen will, worum es beim Klienten geht.
Zu Beginn war die Humanistische Psychologie also eher ein Sammelbecken unabhängig voneinander entwickelteer Ansätze, die dann durch die Gründung der AHP gebündelt wurden. Rasch entstanden dann Zentren wie Esalen in Kalifornien, das Human Potential Movement, und die New Age Bewegung. Allesamt in den USA entstanden schwappten sie jedoch bald auf Europa über, sicherlich auch deswegen, weil sie die allgemeine Aufbruchsstimmung wiederspiegelten und etwas wirklich Neues verhießen.
Einfluss und Konseqenzen für die Arbeit bei ComTeam

Ruth Cohn, Quelle: TZI
Auch das Verständnis davon, dass in jeder Gruppen-Kommunikation drei Aspekte eine Rolle spielen – nämlich das Ich, das Wir und die Sache – wurde von Ruth Cohn erstmals so klar formuliert. Die Balance zwischen Menschlichkeit und Sachlichkeit steht im Zentrum – ein Fundament, das bis heute Gültigkeit hat.

Drei Aspekte, Quelle: TZI
Die Gestalttherapie mit ihrem Fokus auf Wahrnehmung hat sehr dazu beigetragen, Methoden zu entwickeln, die für das Herstellen von Transparenz in Gruppensituationen unerlässlich sind. Z.B.: Zwischen Wahrnehmungen und Vermutungen unterscheiden können, Projektionen als solche erkennen können.
Achtsamkeit ist interessanterweise auch heute wieder sehr in den Vordergrund gekommen, weil die allgemeinen Folgen von Stress so sehr überhand nehmen. Es ist an der Zeit, einen Ansatz von erfolgreicher Unternehmenskultur zu entwickeln, die nicht auf Einengung, Druck und Überforderung beruht.
Auch viele der im NLP weiterentwickelten Methoden haben immer noch Einfluss: So zum Beispiel die Technik des ‚Reframing’ (etwas in einen neuen Rahmen setzen) oder beispielsweise das gezielte Nachfragen. Sprachmuster verbergen oft den eigentlichen Gehalt dessen, was gemeint ist, und so ist die Nachfrage. Methodik ein entscheidender Türöffner, um zu den darunter liegenden Bedürfnissen vorzudringen.
Der Ansatz von Virginia Satir prägt heute das Vorgehen und Denken bei ComTeam vor allem in den Seminaren zur Selbstreflektion („Verhalten wahrnehmen, Verhalten reflektieren“ u.a.). Satir hat den Kommunikationsbegriff deutlich erweitert: „…ich spreche von Kommunikation und meine damit alle Arten Informationen zu geben, zu erhalten und zu verarbeiten. Unsere Körper geben uns ständig Nachrichten. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit zum Zuhören weil das lebenswichtig ist“ (V.Satir). Dieses Verständnis hat auch starke Auswirkungen auf unsere Art und Weise, Veränderungsprozesse in Organisationen zu begleiten und für Nachhaltigkeit und Akzeptanz zu sorgen.
Der nächste Artikel:
Im nächsten Beitrag zur vierzigjährigen Entwicklungsgeschichte des Systemischen Arbeitens schreibt Bettina Riedel zu Kommunikation und Konstruktivismus.
- Stressprävention und Achtsamkeit für Führungskräfte - 26. Juli 2018
- Achtsamkeit – die neue Zauberformel zur Effizienzverbesserung? - 3. Februar 2016
- Die Geschichte des Gehirns - 21. November 2014
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