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Vielleicht kennen Sie das Modell der „4 Zimmer der Veränderung“, das zeigt, welche Führungsverhaltensweisen im Changeprozess sinnvoll sind. Es gibt da den Raum der Verwirrung, der als erstes „betreten“ wird, wenn man als MitarbeiterIn (oder auch als Führungskraft) von einem bevorstehenden Veränderungsprozess erfährt.

Diese Verwirrung entsteht nicht nur durch äußere Unklarheiten und objektive Bedenken, sondern zusätzlich und oft sogar noch mehr durch den innerlich ausgelösten Reaktionsprozess: Es gibt einen inneren Anteil in uns allen, der uns selbst beschützen will. Wie er das macht, hängt mit unserer persönlichen Geschichte zusammen und ist sehr individuell. Nur zwei Aspekte haben alle diese inneren Beschützer gemeinsam:

  • Sie haben sehr alte fixierte Vorstellungen über uns selbst, über das Leben, unsere Rolle darin, und wie man am besten klarkommt und wenden diese sogenannten Konstrukte (aus alten Erfahrungen konstruierte Definitionen) immer wieder an.
  • Sie wollen grundsätzlich, dass sich an diesen Vorstellungen nichts ändert.

Im Change wird oft eines dieser alten Konstrukte wieder ausgelöst: Es ist das Rollenverhältnis zwischen dem Ich und den anderen „Mächtigeren“. Das haben wir alle als Kind erlebt, und oft bleibt dieses Rollenverhältnis und die damit ausgelösten Emotionen für uns die Grundlage unserer Beziehungen zur Außenwelt. Wer zum Beispiel als Kind sehr unter der Willkür des Vaters oder Lehrers gelitten hat, wird bei einem von der Unternehmensleitung entschiedenen Change schneller unangenehme Gedanken – und als Folge daraus unangenehme Emotionen – dazu entwickeln. Der innere Richter suggeriert dann z.B. Gedanken wie „Mich hat mal wieder keiner gefragt“, „Das geht doch eh wieder auf Kosten von den kleinen Leuten (wie mir)“, etc.

Was dabei völlig aus dem Blick geraten kann, ist, dass wir jetzt erwachsene, letztendlich autonome Menschen sind, die einerseits eine absolut neue Erfahrung machen (es gibt keine Wiederholungen) und die andererseits viel mehr an Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Verfügung haben als wir damals hatten, als das Konstrukt entstand.

Es macht also Sinn, seine eigenen Reaktionsmuster im Change zu beobachten und den Teil zu identifizieren, der musterhaft, d.h. vordefiniert ist. Dieser ist größer als wir denken. Wir können unsere Lebenserfahrung nutzen und gleichzeitig neugierig darauf bleiben, welche neuen Erfahrungen wir diesmal machen werden. Wer sich damit zu ungeschützt fühlt, kann gleich wieder in die Reflektion gehen und sich die Frage stellen, welche Definition der innere Richter über das Ich hat (Selbstbild), das jetzt angeblich so ungeschützt ist.

Wir alle bewegen uns in unserem Leben und Berufsleben zwischen Stabilität und Veränderung. Wenn wir eine Veränderung erleben, müssen wir dazu weder sofort eine Meinung haben noch eine bestimmte Haltung einnehmen, um angemessen damit umzugehen, im Gegenteil: Je länger wir uns erlauben, der Neuartigkeit zu begegnen, umso passender wird unser Umgang damit und dadurch wird es leichter für uns. Dies könnten wir unserem inneren Beschützer heute beibringen.

Unsere Führungskraft kann uns dabei unterstützen, einerseits unsere Bedürfnisse und Reaktionen (Emotionen, Widerstände) zu äußern als Grundlage für einen fürsorglichen Umgang mit der Situation und andererseits die aktuelle Situation als neu, noch nie dagewesen und für uns als Erwachsene beeinflussbar zu erkennen.