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Veränderungsprozesse finden überall statt. Als Künstlerin und Change-Managerin verbinde ich viele Veränderungsprozesse, die ich im Wirtschaftsumfeld begleite, automatisch mit meinem Malprozess. Der Malprozess zeigt für mich die Prozesse sehr zugänglich und natürlich auf. Emotionen haben Vorfahrt. Nicole Detambel hat das so schön geschrieben in ihrem Blog ‚Vorfahrtsregeln im Change’.
Gustav Klimt hat sein Werk ‚Leben und Tod’ 1910 gemalt, gerahmt und gar einen Preis bekommen von der Internationalen Kunstausstellung in Rom. Er selbst beschrieb das Werk als eines seiner wichtigsten figurativen Werke. Trotzdem hat er das Bild 1915 zu verändern begonnen, lange nachdem es gerahmt war. Er hat den goldenen Hintergrund grau bemalt und ‚Leben und Tod’ haben mehr Verzierung erhalten. Steht man vor dem Bild, kann man den ursprünglichen Hintergrund immer noch wahrnehmen.
Ich war in Wien im Museum und habe sowohl das schöne Werk bewundern dürfen als auch einer Kunsthistorikerin zugehört, warum Klimt wohl das Bild teilweise übermalt und überarbeitet hat. Ich konnte ihr nicht folgen, denn ich dachte nur, wow, so viel lesen die Leute darin, dabei ist er vermutlich einfach eines Tages aufgestanden und hat gedacht, nein, es ist nicht fertig. Oder, es hatte sich nie ganz fertig angefühlt, er konnte es aber 1910 noch nicht vollständig beenden. Seither hat es ihn immer wieder hingezogen es zu übermalen, bis er es gemacht hat. Vielleicht war er emotional erst dann in der Lage, dem Bild das zu geben, was es brauchte. Oder es war 1910 fertig – und 1915 einfach erneut. Für mich gibt es kein ‚objektives Kriterium’, keine Analyse, wann ein Werk abgeschlossen ist. Ich liebe das Bild wenn ich beschliesse, dass es fertig ist. Und das kann ändern. Alles ist und bleibt wandelbar. Toll. Wie befreiend!
Das geschieht mir oft beim Malen. Ich habe das Gefühl, das Bild ist fertig und übermale es später doch wieder. Oder einen Teil. Ich lege das Bild zur Seite oder hänge es auf und warte, wie es sich anfühlt. Schon signiert, wohlbemerkt, bereit zum Verkauf. Und ich beginne wieder von vorn, oder ich füge etwas hinzu. Und erst dann kann ich es lieben. Ich habe zwei Werke, die unzählige Schichten haben, ich habe sie viele Jahre mit mir herum-umgezogen, im Keller gelagert und wieder hervorgeholt. Aufgehängt und wieder verstaut. Und vorletztes Jahr neu übermalt. Und jetzt sind sie fertig. Endlich! Zwei meiner Lieblingswerke! Ich hatte beim übermalen lange gebraucht, bis ich sie lieben konnte. Eins wollte ich gar im Prozess zerschneiden – es war so hässlich. Ich hatte mich geärgert und ich war verzweifelt. Aber ich habe sie einfach immer wieder zur Seite gelegt. Ich versuche immer wieder von neuem, nichts von mir oder meinen Bildern zu erwarten und sie als ‚Spielplatz’ zu benutzen. Eine Fläche, auf der ich einfach spiele, um des Spielens willen. Bis ich mich wieder freuen kann und mir der Spielplatz gefällt. Bis die Dinge wieder fliessen. Und ich habe immer viele verschiedene Spielplätze, ich arbeite meist an drei bis acht Werken gleichzeitig. So habe ich die letzte Schicht bei den besagten Werken in ‚nur’ je 20 oder 30 Minuten beendet, nachdem ich so lange an ihnen gearbeitet habe. Plötzlich hat sich alles ergeben, in einem Fluss, es fühlte sich harmonisch und ‚richtig’ an. Die vorherigen Schichten sind noch etwas sichtbar, spürbar, auch wenn man darüberfährt. Sie sind da und sie waren nötig. Endlich kann ich sie lieben und geniessen. Und mich daran erinnern, wie sie entstanden sind, wenn ich wieder verzweifle. Denn auch das werde ich ganz sicher, soviel steht fest.
Bilder ‚Reshuffle’ und ‚Settle’ hier.
Malen beinhaltet für mich alle Prozesse der Veränderung. Und wenn ich im Leben mit einem Change-Prozess hadere, sei es persönlich oder geschäftlich, erinnere ich mich an meinen Malprozess. Wenn mir das gelingt, kann ich aufatmen. Lächeln. Mich freuen. Denn ich weiss, ich darf mich ärgern, ich darf verzweifeln, ich kann die Dinge mal ruhen lassen und sie dann neu sehen, ich kann die Dinge neu erschaffen, alle Schichten sind nötig für den Ort an den ich möchte, und manches davon bleibt auch in der Zukunft sichtbar, nichts ist vergebens, ich darf auch keine Ahnung haben wie es weitergeht. Es ist möglich, ohne konkretes Ziel, ohne fixen Plan und ohne fertige Vorstellung zu einem Resultat zu kommen, das ich lieben werde. Ganz sicher. Und ich habe alle Zeit der Welt.
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