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In unserem Verständnis kann man Change-Management gewissermaßen auch mit Beteiligungsmanagement gleichsetzen. Beteiligung fängt bereits bei der reinen Vermittlung von Information ohne Rückmeldung an: Also keine partizipativen Ansätze, sondern das reine „Mitteilen“ von Entscheidungen und Informationen (herkömmlicherweise auch Kommunikation genannt). Die Intensität kann schrittweise erhöht werden bis hin zu „die Betroffenen können über die Lösung entscheiden“.

Diese Abstufung und die damit verbundene Klarheit, welches Beteiligungssetting welche Intensität bedienen soll, ist aus unserer Sicht ein erfolgsentscheidendes Kriterium für Veränderungsprozesse. Sowohl bei den Betroffenen selbst, als auch bei den „Machern“, also den Projektleuten, den Auftraggebern sowie den (umsetzenden) Führungskräften. Neben der Intensität von Beteiligung ist aber auch das „Beteiligungsobjekt“ wichtig: Wenn die inhaltlich / fachliche Lösung bereits bis ins letzte Detail beschrieben ist (und fatalerweise wird oft erst zu diesem Zeitpunkt der Change-Manager eingebunden) ist Beteiligung schwer und man kann eigentlich nur noch Akzeptanz für die Lösung ohne jegliche Beeinflussungsmöglichkeit herstellen. Dies ist ungemein schwer, wenn die Betroffenen ein ehrliches Interesse daran haben, mitgestalten zu können -oder „wenigstens gerne gefragt“ werden würden. Eine Phrase, die wir übrigens oft als Anliegen hören…

Beteiligung ist wichtig. Insbesondere in der heutigen Zeit wird diese sogar explizit eingefordert. Jeder Manager, der etwas auf sich hält und die gängige Fachliteratur studiert und / oder Führungsseminare besucht hat, wird dies bestätigen. Und dennoch fällt das ernsthafte Beteiligen scheinbar unverhältnismäßig schwer. Unsere Erfahrung zeigt, dass Beteiligung oft eingefordert und postuliert, in der Realität jedoch unzureichend umgesetzt wird.

Doch woran kann das liegen? Wir begeben uns auf die Suche nach möglichen Ursachen (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit by the way). Hierfür nehmen wir uns potenzielle Antworten vor, die eine zur Umsetzung eines Veränderungsprozesses beauftragte Führungskraft – vielleicht nach ein paar Gläsern Wein nach intensiver Überlegung diesbezüglich – geben könnte.

Also, liebe Führungskraft: Sie denken Beteiligung sei wichtig und dennoch binden Sie Ihre MitarbeiterInnen nicht aktiv ein. Woran liegt das eigentlich?

Ich wurde selber nicht gefragt

Eine spannende Erkenntnis steckt hinter dieser Aussage. Auch die (typischerweise Sandwich-) Führungskräfte haben das Bedürfnis danach, eingebunden zu werden. Wird diese Anliegen durch das Projekt nicht bedient, so kann Widerstand entstehen. Im Gegensatz an eine Mitarbeiterin / einen Mitarbeiter kann das Unternehmen durchaus hohe unternehmerische Anforderungen an die Führungskraft stellen, nämlich die Interessen des Unternehmens – in Form der Umsetzung der Veränderung – mögen doch bitte vorrangig gegenüber den individuellen Interessen bedient werden. Daher gibt es zumindest den impliziten Auftrag „nicht so rumzuzicken“, sondern das Thema umzusetzen.

Die Folge ist ein Loyalitätskonflikt der Führungskraft, das Gefühl ausgeschlossen zu sein bei der Führungskraft und den Mitarbeitern und fehlender Umsetzungserfolg bei der Führungskraft, den Mitarbeitern und der gesamten Organisation.

Die (an sich triviale) Erkenntnis für uns Change-Manager: Wir sollten die Anliegen der mittleren Führungsebenen besonders im Blick halten und diese Interessensgruppe nicht nur bei der Stakeholderanalyse oder in der RoadMap zu adressieren. Es geht vielmehr darum, die Beteiligung an der Lösungsentwicklung systematisch bei dieser Ebene zu verankern und gleichzeitig die Umsetzungserwartungen von Anfang an klar zu formulieren.

Ich weiß doch von nichts

Hier haben wir eine ähnliche Aussage und wollen diese jedoch gänzlich anders interpretieren. Wir folgen also einer neuen These: Es geht in diesem Fall nicht um die fehlende eigene Einbindung, sondern tatsächlich um den geringen Umfang an Informationen zum Veränderungsvorhaben. Doch dieser Umstand schließt eine Beteiligung des Teams per se nicht aus. Auch wenn die Beteiligung auf die Inhalte nicht umfangreich möglich ist, kann sich die Führungskraft durchaus am Prozess beteiligen. Hierbei geht es vor allem darum, Räume zu schaffen für den Austausch zur Stimmungslage, Gerüchten, Hoffnungen oder Sorgen. Der eigentliche Hinderungsgrund kann jedoch an inneren Glaubenssätzen von „guter Führung“ liegen, wie beispielsweise „ich als Führungskraft muss immer eine Antwort haben“. Solch ein Glaubenssatz kann in der Konsequenz dazu führen, dass gar nicht erst Fragen gestellt und die Mitarbeiter so eingebunden werden.

Als Ableitung sollten Change-Manager darauf achten, dass solche inneren Glaubenssätze der einzelnen Führungskraft – auch unbewusst – im Wege stehen können. Die Beteiligungsräume so früh wie möglich einfordern erfordert demnach auch, den Rücken der Führungskraft zu stärken. Reflexionsmöglichkeiten auf die eigene Rolle und die inneren Regeln sind hierbei sicherlich nicht hinderlich… Im Gegenteil!

Damit verunsichere ich nur meine Leute

Ein typischer Irrglaube, an den eigentlich keiner so richtig glauben kann. Folgende Situation: Eine Veränderung ist im Unternehmen bereits spürbar und die Gerüchte häufen sich. Die MitarbeiterInnen sprechen über die Veränderung und spekulieren darüber, wie es weitergehen könnte. Die MitarbeiterInnen fühlen sich also betroffen und das Thema geht nicht gänzlich spurlos an ihnen vorbei. Es besteht also der Bedarf, sich zumindest austauschen zu können und den Sorgen, Ängsten aber auch Hoffnungen und Erwartungen Luft zu machen. Und doch schrecken viele Führungskräfte in solch einer Situation davor zurück, Diskussionsräume zu öffnen und entsprechende Fragen zu stellen. Da die Verunsicherung – zumindest potenziell – bereits vorhanden ist, könnte man doch einfach fragen. Doch in diesem Fall müsste man auch aktiv mit den Äußerungen umgehen und schnell wird aus dem Beteiligungsmanagement ein Bedürfnismanagement. Fühlt sich vielleicht die Führungskraft unsicher mit solch einer Situation? Es ist natürlich leichter, Zahlen und Listen zu managen, als Emotionen und Bedürfnisse. Und doch ist genau dies die Anforderung an eine moderne Führungskraft.

Change-Manager sollten demnach den Führungskräften Handwerkszeug an die Hand geben, um mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Betroffenheiten umgehen zu können. Zudem kann es hilfreich sein, geschützte Räume zu schaffen, in denen die Führungskräfte Erfahrungen in dieser Thematik sammeln können. Gemeinsam mit dem eigenen Team unterstützt durch eine Moderatorin / einen Moderator oder auch in einem anderen Kontext in einer Teilnehmer-Rolle, beispielsweise mit den direkten Kollegen und der eigenen Chefin / dem eigenen Chef. Anschließend wird eine selbstorganisierte Beteiligung leichter oder wird sogar eine Alltagserscheinung.

Wir haben leider keine Zeit für Beteiligung

Bei dieser Aussage kann man einfach – und vielleicht etwas frech – antworten: Zu kurz gedacht. Natürlich ist Zeit ein wichtiger Faktor und Beteiligung braucht tatsächlich Zeit. Jedoch muss man auch hier den Aufwand dem Nutzen gegenüber stellen. Das Problem „zu kurz gedacht“ liegt jedoch daran, dass oftmals nur die Zeit bis zur Einführung der Veränderung in Betracht gezogen wird. Also die Lösungsentwicklung bis „go live“. Unterschlagen wird jedoch der Zeitraum ab „go live“ bis die Veränderung auch tatsächlich in eine neue Wirklichkeit umgesetzt wird. Und hier entstehen die meisten Reibungsverluste durch die fehlende Einbindung bei der Lösungsentwicklung: Empörungen und Widerstand, Machspiele, inhaltliche Schleifen, zusätzliche Abstimmungs- und Überzeugungsrunden, Unsicherheit bei den Betroffenen, Abgänge der kompetenten (und bei anderen Unternehmen gefragten) MitarbeiterInnen. Wir sprechen daher von einer Produktivitätsvermutung: Die Zeit, die im Rahmen der Klärung und Lösungsentwicklung investiert wird, zahlt sich bei komplexen Vorhaben auf dem Weg hin zur neuen, umgesetzten Wirklichkeit locker aus. Auch wenn „go live“ erst später stattfindet ist der Weg bis zur tatsächlichen Umsetzung umso leichter zu beschreiten. Produktivitätsvermutung heißt aber auch, dass man diesen Mehrwert nur schwer messen kann. Man muss also wirklich daran glauben, dass sich die Beteiligung am Ende auszahlt.

Für einen Change-Manager heißt es also, die handelnden Personen mit dieser Produktivitätsvermutung in Kontakt zu bringen. Es reicht nicht, dass der Change-Manager daran glaubt. Vielmehr braucht es die volle Akzeptanz der Hauptverantwortlichen, um auch bei Gegenwind („das könnten wir doch in einem kleinen Team viel schneller hinbekommen“) standhaft zu bleiben und die richtigen Interventionen setzen zu können. Der Schlüssel für solch eine Akzeptanz ist oftmals die Erfahrung der bisherigen Veränderungsprojekte ohne entsprechende Einbindung. Reflektiert man diese, wird aus der Produktivitätsvermutung schnell ein fester Glaube, dass Beteiligung notwendig und effizienzsteigernd ist.

Abschließend wollen wir uns bei unserer imaginären Führungskraft für die Offenheit bedanken. Wir werden weiter dafür sorgen, dass Stakeholder offen, frühzeitig und in der angemessenen Intensität beteiligt werden. Mit der Zielsetzung, nicht nur schöne Konzepte, sondern nachhaltige und wirksame Lösungen zu implementieren. Die Grafik „Beteiligung im Team“ stellt zusammenfassend wichtige Blickwinkel der Thematik dar.

Dr. Georg Wolfgang

Geboren 1981 in München, ab 2010 Berater und Trainer bei der ComTeam AG und seit Februar 2018 Geschäftsführer der Culturizer GmbH.
In den etwas mehr als sieben Jahren als Berater bei ComTeam habe ich mich auf große und komplexe Veränderungsprozesse spezialisiert. Auch das Thema „Unternehmenskultur gestalten“ hat mich in dieser Zeit intensiv beschäftigt. So war ich konzeptionell bei der Entstehung und (Weiter-)Entwicklung des Kulturprofil-Indikator® dabei und habe viele kleinere und größere Kulturentwicklungsprozesse als Berater geplant und durchgeführt.
Seit 2017 treibe ich die Digitalisierung unseres Kulturansatzes voran. Hierbei ist der Culturizer® entstanden und mittlerweile darf ich mich in Vollzeit als Geschäftsführer und Gesellschafter der Culturizer GmbH mit diesem „Projekt“ beschäftigen. Hierbei bin ich vor allem für die Weiterentwicklung unseres Produktportfolios sowie den Vertrieb und die Positionierung dieser neuen Marke verantwortlich.
Bevor ich zu ComTeam kam war ich einige Jahre bei BMW in unterschiedlichen Funktionen tätig. Zudem habe ich im Bereich strategisches Management promoviert und bin mittlerweile auch als Lektor an der Hochschule tätig.
Privat verbringe ich meine Zeit am liebsten mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Meine Sportbegeisterung lebe ich im Sommer beim Kitesurfen und im Winter beim Telemarken aus.

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