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„Das habe ich doch schon vorher gewusst, dass es so ausgeht! Das Projekt geht wieder plötzlich los mit einem Sprung ins kalte Wasser“. Kommen Ihnen diese Aussagen auch bekannt vor? Warum scheitern Projekte so oft? Projekte, die wir doch gut geplant haben, wie wir meinen? Die Kosten laufen aus dem Ruder, die Mitarbeiter ziehen nicht mit und am Ende ist die Zeit wieder einmal viel zu knapp. Viele Hauptgründe sind sogar bekannt, warum Projekte im Unternehmen scheitern. Einem wichtigen Grund wird jedoch viel zu wenig Beachtung geschenkt: Die Beteiligung der Betroffenen.
Sehen Sie schon das Licht am Ende des Tunnels? Wir schon, denn das größte Bauprojekt in der Geschichte des Schweizer Projektmanagements wurde nach 17 Jahren erfolgreich abgeschlossen, sechs Monate früher als geplant und das ist der längste Eisenbahntunnel der Welt: Der Gotthardt-Basistunnel. Die Erfahrungen aus diesem Projekt werden auch für Sie hilfreich sein.
Ohne Arbeitsteilung läuft nichts
Projektschritte müssen verfasst werden und auf das gesamte Team verteilt werden. Jeder muss an jeder Stelle wissen, was genau zu tun ist. Dennoch kommt es zu Abweichungen von der Planung und ungeahnte Störungen treten auf. Die Erfahrung zeigt: Es gibt kein Projekt, das völlig ohne Störungen auskommt. Deshalb ist es wichtig, Fehler und Probleme offen zu benennen. Nur so kann Störungen effizient und schnell begegnet werden. Diese offene Fehlerkultur fördert das Vertrauen und auch die Motivation.
Bei dem Tunnelbau bestand das Risiko von plötzlichen Wassereinbrüchen und unterschiedlichen Gesteinsschichten. Der Unterschied im Projektmanagement besteht darin, dass die Einen im Trockenen arbeiten und die Anderen bis zum Hals im Wasser stehen. Die, die im Trockenen stehen, haben sich auf Eventualitäten vorbereitet und Experten rechtzeitig mit einbezogen.
Doch der rein inhaltliche Blick ist ein Trugschluss. Der gesunde Menschenverstand darf nicht fehlen, denn das ist nicht im Sinne der Betroffenen. Bedürfnisse müssen Berücksichtigung finden und anhand dessen das technisch Mögliche erarbeitet werden. Nichts ist schlimmer als Fehlkommunikation in der Auftragsklärung mit allen Stakeholdern. Im schlimmsten Fall kann das das Projekt zum scheitern bringen. In jedem Fall wird es aber zu mehr Ressourcenaufwand führen – ob zeitlich oder finanziell.
Identifikation mit dem Projekt
Viele Großprojekte scheitern – aus verschiedenen Gründen. Doch der Gotthard-Basistunnel zeigt, dass es tatsächlich noch Großprojekte gibt, die sich erfolgreich realisieren lassen. Er zeigt aber auch, dass eine bedarfsorientierte Planung und der Ansatz, alle Betroffenen an den Prozessen zu beteiligen, von enormer Bedeutung ist. Ob das Stakeholder auf politischer, umweltschützender oder unternehmerischer Ebene sind, ist dabei gleichbedeutend. Hierbei geht es in erheblichem Maße um die Identifikation mit dem Projekt, die vom Projektleiter bis zu den Betroffenen reichen muss. Lieber durchdacht als überhastet planen. In der Schweiz werden die Betroffenen frühzeitig mit ins Boot geholt, um sich auch mit dem Projekt identifizieren zu können. Denn es gibt in der Schweiz ein übergeordnetes Ziel: Die Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene und Obergrenzen für den Schwerlastverkehr auf Autobahnen; per Volksentscheid beschlossen. Gute Luft und eine intakte Alpenwelt statt Verkehrskollaps. Mit diesem gemeinsamen Ziel und der intensiven Planung wird Protesten gleich der Wind aus den Segeln genommen. Die Baukosten sind transparent und werden in der Schweiz in der Regel nicht schöngerechnet, nur um sich die Zustimmung für ein Projekt zu sichern. Dies schafft Vertrauen in die Planung und würde sowieso in dem engmaschigen Kontrollsystem der Schweiz früher oder später auffallen. Klar, gab es auch beim Gotthard kleinere Kostensteigerungen und Probleme – aber nichts hat das Projekt wirklich aus der Bahn geworfen. Das liegt wohl auch daran, dass alle Bauvorhaben dem Schweizer Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Von der Planung bis zur Finanzierung.
Eines der Geheimnisse beim Bau des Gotthard-Basistunnels ist die Tatsache, dass die Arbeitsteilung nicht nur bis ins kleinste Detail alle Beteiligten betraf, sondern dass jeder noch so kleine Schritt in seiner Wichtigkeit erkannt wurde. So waren es bei der festen Fahrbahn im Gotthard-Basistunnel die stetige Verbesserung von Vorgehensweisen, die Anwendung von Erkenntnissen aus industriellen Produktionsprozessen, aber auch die außergewöhnliche Teamführung und -kultur, die in der Summe zum Erfolg führten. Durch interdisziplinäre Experten und einen externen Blick minimieren Sie die Komplexität, die Anforderung an die Mitarbeiter erfolgt stufenweise und nicht plötzlich und alles auf einmal. Sorgen Sie in Ihrem Veränderungsprozess dafür, dass in der Kommunikation kein Vakuum entsteht, das Betroffene mit Widerstand und Frustration füllen. Und: Der Ton macht die Musik! Vor allem beim Führen von interdisziplinären Teams und Managen von kulturellen Unterschieden.
Beteiligung, offene Fehlerkultur, Vertrauen
Durch aktive Beteiligung, eine offene Fehlerkultur und Vertrauen im Team können Sie Widerstände zwar nicht verhindern, jedoch sind die Mitarbeiter durch die frühzeitige Einbindung besser vorbereitet und können einzelne Veränderungsschritte nachvollziehen. Auch wenn das ein oder andere noch nicht ganz ausgereift ist oder noch nicht rund läuft, sind sie mit eingebunden und können so die Veränderung mittragen. Erfahrungen werden schrittweise in die Organisation hineingetragen und kommuniziert. Die Veränderungsanforderung bleibt für die Betroffenen zwar gleich groß, die Mitarbeiter sind aber deutlich besser vorbereitet und tragen das Vorhaben leichter mit. So entsteht auch keine Überforderung der Mitarbeiter bzw. der Betroffenen.
Uns interessiert, wie Sie mit der Beteiligung in Ihren Projekten umgehen. Stoßen Sie auf Granit oder Sand? Sprechen Sie uns an, bevor Sie in der Dunkelheit des Tunnels die Orientierung verlieren.
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