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Mit der Diskussion um die Erwartungen der Generation Y wird auch die Forderung nach mehr Flexibilität an die Arbeitgeber immer präsenter. (Ein wunderbarer Text zur Generation Y ist übrigens bei welt.de in einer Übersetzung von Tim Urban zu finden: Warum die Generation Y so unglücklich ist)

Ein zentrales Bedürfnis der Generation Y ist es, eine oder gleich mehrere Auszeiten vom Job nehmen zu können. Auszeiten, in denen man die Welt bereisen, sich sozial engagieren oder einfach die Zeit für sich genießen kann, um Abstand vom Alltagsstress zu bekommen. Vor über 2 Jahren kam diese Idee für mich (auch ich kann mich rein definitorisch noch zu der Generation Y zählen, auch wenn es sehr knapp ist) erstmalig in einem Mitarbeitergespräch auf den Tisch. Mit der Frage „wäre so ne Art Sabbatical nicht mal was für Dich?“.

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Zum Hintergrund muss man unbedingt wissen, dass das Sabbatical bei ComTeam eine lange Historie hat. Jede/r BeraterIn hatte früher den festen Anspruch auf ein Sabbatical, das ursprünglich ein Jahr und später mit mehr BeraterInnen ein halbes Jahr dauerte. Dies war quasi ein Teil der Vergütung und hatte die Philosophie zu Grunde, dass bei einem so anspruchsvollen Job eine feste Auszeit in Summe produktionssteigernd sei. Jedoch musste sich ComTeam vor etwa 5 Jahren von dieser ursprünglichen Regelung verabschieden. Was aber blieb, war das Anrecht des Beraters/der Beraterin auf eine (unbezahlte) Auszeit.

„Unbezahlt“: Dies war der Aspekt, der mich in dem besagten Mitarbeitergespräch zunächst abgeschreckt hat. Und dennoch konnte ich diese Vorstellung nicht aus meinem Kopf kriegen. Ich fing an, mir und meiner Familie Bilder vor Augen zu führen, wie wir eine Zeit lang im Ausland leben und jeden Tag am Strand (und vor allem beim Kitesurfen, meiner großen Leidenschaft, die meine Frau mittlerweile teilt) verbringen. Aus „unbezahlte Auszeit“ wurde bald „Investition fürs Leben“ und „once in a lifetime“. Auch der potenzielle Zeitpunkt war begrenzt, da unser Sohn bald in die Schule kommen wird.

Und so wurde aus der Vision ein konkreter Plan. Die Flexibilität, die ich in meinem Job und in meinen Projekten an den Tag lege, habe ich mir hierbei zunutze gemacht: 8 Monate deutlich mehr beim Kunden arbeiten und dafür eine Auszeit von 4 Monaten, in der ich aber remote interne Arbeiten verrichte. Nach einigen Gedankenspielen und gemeinsamen Überlegungen mit meinem Chef wurden somit 90 % meiner Jahresarbeitszeit einfach komplett anders verteilt. Und Themen für die 4 Monate definiert, die ich nur mit meinem Rechner und Internet gut erledigen kann. Diese Lösung ist nur möglich gewesen, da alle relevanten Parteien (ComTeam, meine Frau und ich) auch ein echtes Interesse daran hatten, die Idee zu verwirklichen. Ganz leicht war die Realisierung natürlich nicht: meine KollegInnen mussten für mich an vielen Stellen einspringen. Die Einteilung der Seminare und Projekte als TrainerInnen und BeraterInnen mussten entsprechend geplant, angepasst und die richtigen Themen für die Remote-Arbeit gefunden werden.

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Und so verbringen wir tatsächlich drei Monate im wunderschönen (und windsicheren) El Gouna in Ägypten. Wir haben als Familie eine sehr intensive gemeinsame Zeit (neudeutsch Qualitytime) – ganz ohne den üblichen Alltagsstress, Familienlogistik und zahlreiche Dienstreisen. Ich habe die richtigen Arbeitsthemen, die ich mit Freude und niemals als Pflicht erledigen kann, mit absoluter Autonomie in Bezug auf die zeitliche aber auch die räumliche Einteilung (am Strand zu arbeiten ist tatsächlich purer Luxus für mich…). Ich habe aber gleichzeitig den nötigen Abstand, um meine Akkus voll aufzuladen. Und ich freue mich bereits wieder auf das „richtige Leben“ und weiß, wie viel ich aus dieser Zeit mitnehmen werde. All dies wird aus meiner Sicht auch ein Mehrwert für ComTeam und für meine Kunden sein. Ob dies tatsächlich so ist, werden wir wohl erst mit etwas Abstand beurteilen können…

Je mehr ich mich mit dem Thema Auszeit beschäftigt habe, umso mehr Vorteile konnte ich für MitarbeiterInnen, aber auch das Unternehmen identifizieren. Bei mir und ComTeam und vermutlich auch für jedes andere Unternehmen übertragbar. Sowohl vor als auch während meiner Auszeit habe ich mit einigen Menschen gesprochen, die ähnliche Erfahrungen sammeln durften. Und mit zahlreichen, die sich so etwas auch wünschen würden… Daher soll dieser Artikel auch ein kleiner Appell sein: An die Unternehmen, noch bessere und kreativere Lösungen zu finden, um auf die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen einzugehen. An die Menschen (nicht nur der Generation Y), für die eigenen, individuellen Bedürfnisse einzustehen und für deren Umsetzung zu sorgen. Und an die Kollegen der „Privilegierten“ (ja, ich sehe diese Auszeit durchaus als Privileg an), diese zu unterstützen und gemeinsam als Team das Beste aus solch einer Situation zu machen. Die kreative und flexible Gestaltung von Arbeitswelten ist aus meiner Sicht und mit dieser Erfahrung der Schlüssel für Produktivität und Zufriedenheit im Job sowie Loyalität zum Unternehmen.

Die großen Herausforderungen des Change-Managements in dem beschriebenen Kontext sind aus meiner Sicht folgende:

  • Tradierte Beurteilungen von Leistung und Arbeitszeit hinterfragen zu können
  • Bedürfnisse aller Beteiligten herauszuarbeiten, um tragfähige Lösungen zu finden
  • Innovative und flexible (strukturelle) Möglichkeiten zu ermöglichen
  • Zukunftsfähige Anforderungen der Mitarbeiter (stellvertretend durch die GenY formuliert) zu zentralen strategischen Themen zu machen

An dieser Stelle auch noch ein expliziter Dank an meine KollegInnen bei ComTeam, die sich auch gegen regelmäßige Bilder und Videos aus meinem Paradies nicht gewehrt haben ;-)

Dr. Georg Wolfgang

Geboren 1981 in München, ab 2010 Berater und Trainer bei der ComTeam AG und seit Februar 2018 Geschäftsführer der Culturizer GmbH.
In den etwas mehr als sieben Jahren als Berater bei ComTeam habe ich mich auf große und komplexe Veränderungsprozesse spezialisiert. Auch das Thema „Unternehmenskultur gestalten“ hat mich in dieser Zeit intensiv beschäftigt. So war ich konzeptionell bei der Entstehung und (Weiter-)Entwicklung des Kulturprofil-Indikator® dabei und habe viele kleinere und größere Kulturentwicklungsprozesse als Berater geplant und durchgeführt.
Seit 2017 treibe ich die Digitalisierung unseres Kulturansatzes voran. Hierbei ist der Culturizer® entstanden und mittlerweile darf ich mich in Vollzeit als Geschäftsführer und Gesellschafter der Culturizer GmbH mit diesem „Projekt“ beschäftigen. Hierbei bin ich vor allem für die Weiterentwicklung unseres Produktportfolios sowie den Vertrieb und die Positionierung dieser neuen Marke verantwortlich.
Bevor ich zu ComTeam kam war ich einige Jahre bei BMW in unterschiedlichen Funktionen tätig. Zudem habe ich im Bereich strategisches Management promoviert und bin mittlerweile auch als Lektor an der Hochschule tätig.
Privat verbringe ich meine Zeit am liebsten mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Meine Sportbegeisterung lebe ich im Sommer beim Kitesurfen und im Winter beim Telemarken aus.

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