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Sie denken: „Change kann ich“. Aber können Sie agilen Change? Traditionelle und agile Veränderungsprojekte haben gemeinsame Erfolgsprinzipien. Aber es gibt auch Unterschiede. Entscheidende Unterschiede, insbesondere bei der Umsetzung.

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ComTeam hat in der Vergangenheit erfolgreich traditionelle Veränderungsprojekte begleitet und aufbauend auf dieser Erfahrung Modelle und Vorgehensweisen entwickelt, die solche Vorhaben gelingen lassen. In den letzten Jahren werden zunehmend zusätzliche Anforderungen an Change-Begleiter gestellt. Diese Anforderungen leiten sich insbesondere aus zunehmender Agilität in Vorgehensweisen im Business ab.
Konkret heißt das oft: Die Change-Projekte selbst sollen agil durchgeführt werden. Unabhängig davon, ob sie in traditionellen Organisationsformen oder in agil organisierten Umfeldern stattfinden.
Unsere diesbezüglichen Erfahrungen zeigen, dass es in dieser Art von Veränderungsprojekten besondere Herausforderungen zu meistern gilt. Diese können zwar auch in traditionellen Change-Vorhaben Bedeutung haben, aber meist nicht im selben Ausmaß. Lassen Sie uns auf fünf entscheidende Punkte schauen:
Punkt 1: Zielbild zur Orientierung
Mit Zielbild ist die Beschreibung des angestrebten Zielzustandes gemeint: Das ist anschaulicher und konkreter als das, was wir aus einer gut gemachten Auftragsklärung kennen. Gerne darf das Zielbild eine Geschichte sein, die Emotionen und Bilder im Kopf auslöst. Das ist nicht nur aus Gründen der Motivation wichtig. Vielmehr ist es für die zielführende Arbeit in agilen, stark selbstorganisierten Teams zwingend, die unterwegs Entscheidungen autonom treffen müssen. Dafür ist ein verlässlicher Navigationspunkt, wie es das Zielbild bietet, unbedingt notwendig.
Unsere Empfehlung.
Widmen Sie dieser Klärung mit dem Auftraggeber zu Beginn des Projekts ausreichend Zeit und Energie. Seien Sie hartnäckig in der Klärung und lassen Sie sich nicht mit Gemeinplätzen abspeisen. Konkret! Klar! Relevant!
Punkt 2: Auftraggeber als Kunde
Häufig sind die Auftraggeber von Veränderungsprojekten Geschäftsführer oder Mitglieder des Top Managements. Sie haben typischerweise viele Themen unter einen Hut zu bringen und wenig Zeit. Unsere Erfahrung zeigt, dass Auftraggeber in vielen Fällen anfangs viel Energie und die erforderliche Präsenz an den Tisch bringen. In späteren Phasen sind sie hingegen schwerer greifbar. Agile Veränderung heißt aber: wiederkehrender Austausch mit dem „Kunden“, gemeinsame (Neu-)Bewertung gemachter Schritte, Nachjustierung der Aufträge, der Zielsetzungen und allenfalls sogar des Zielbildes.
Unsere Empfehlung.
Stellen Sie sicher, dass der Auftraggeber willens ist: a) die Management Attention hoch zu halten, b) sich (agil) verfügbar zu machen, wenn nötig durchaus kurzfristig und c) das Zielbild immer wieder zu kommunizieren. Sonst klappt es nicht mit dem agilen Prozess.
Punkt 3: Autonomie der Teams
Um die positive Dynamik im agilen Vorgehen zu unterstützen und zu erhalten, brauchen Arbeitsteams für die Entwicklung von Lösungen adäquate Freiheit. Adäquat heißt in diesem Kontext: größer, als wir dies in traditionellen Beteiligungsprozessen gewohnt sind. Gerade diese Ressourcen- und Entscheidungsfreiheit ermöglicht agiles Handeln, schnelle erste Ergebnisse – Stichwort „Fail fast“ – und innovative Lösungen.
Neben weiteren Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in einem System ist der Vereinbarung von klaren AKVs (Auftrag, Kompetenz, Verantwortung) besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Entscheidend bei dieser Festlegung der Freiheitsgrade ist die Kongruenz von Auftrag, (Entscheidungs-)Kompetenz und Verantwortung. Diese muss vereinbart sein: Nicht alle können (oder wollen) mit Freiheit und damit verbundener Verantwortung in gleichem Ausmaß umgehen. Und nicht jeder Auftraggeber fühlt sich wohl mit der entsprechenden Delegation der Kompetenz.
Unsere Empfehlung.
Stellen Sie sicher, dass zwischen allen Beteiligten geklärt und vereinbart ist, wer worüber entscheiden darf oder muss. Inhalte, Zeiteinsatz, personelle und finanzielle Mittel. Machen Sie klar, welche Verantwortung damit verbunden ist. Freiheit funktioniert nur, wenn deren Grenzen klar sind.
Punkt 4: Intensität des Prozesses
Für alle Veränderungsprozesse ist es hilfreich, die Intensität hoch zu halten. Dies ist insbesondere in einer Projektorganisation schwierig, in der Arbeitsteam-Mitglieder nur teilzeitlich dem Projekt zugeordnet sind. Das ist in den meisten Change-Initiativen (agil oder nicht) der Fall. Typische Folge: Konkurrenz zwischen Tagesgeschäft und Projekt um die Priorität und Zeitenallokation. Ist die Intensität im Projekt beispielsweise durch hohen Rhythmus der Arbeitstreffen und Kundenaustausche hoch, erhält es von den beteiligten Personen Aufmerksamkeit und höhere Zeitpriorität.
In agilen Prozessen ist zudem die Erarbeitung von Lösungen meist an Arbeitsteams delegiert und geschieht deshalb dezentral. Die Gefahr, dass dadurch das Momentum leidet, ist real, gerade wenn die Management Attention nachlässt (siehe Punkt 2). Flaut die Intensität ab, fühlen sich Teams oft verloren und wenig wertgeschätzt. Dadurch sinkt das Momentum weiter und die Negativspirale beginnt.
Unsere Empfehlung.
Sorgen Sie für unmissverständliche Vereinbarungen zur Projektorganisation. Klären Sie Arbeitsprozente, die Teammitgliedern für das Projekt zur Verfügung stehen und die Frequenz der Regelkommunikation. „Mal schnell nebenbei“ werden im agilen Change keine nachhaltigen Ergebnisse erzielt. Sorgen Sie dafür, dass Erfolge nicht bloß gefeiert, sondern bekannt werden. Das bringt Anerkennung und weitere Motivation.
Punkt 5: Disziplin im Prozess
Völlig fehl am Platz wäre der Glaube, Agilität sei gleichbedeutend mit „Schau’ mer mal“. Die angestrebte schnelle, flexible, selbstorganisierte Vorgehensweise braucht im Gegenteil eine Rolle, die sich auf die Prozessdisziplin konzentriert. Der Rolleninhaber stellt zum Beispiel die Umsetzung der oben beschriebenen Empfehlungen sicher. Außerdem die Einhaltung von Absprachen mit dem Auftraggeber, abgeschlossene Lernschleifen und vieles mehr. Agiles Vorgehen bedeutet keinesfalls weniger Disziplin. Eher mehr.
Zum Abschluss noch ein grundsätzlicher Gedanke: Agiles Arbeiten und Agilität sind in aller Munde. Leicht erhält man den Eindruck, das sei der Königsweg. Agilität ist jedoch nicht immer die geeignete Vorgehensweise. Die Wahl des Change-Weges hängt neben der Zielsetzung der Veränderung auch von der Unternehmenskultur ab. In einer ausgeprägten Strukturkultur den Change agil zu bearbeiten, ist nur für Hasardeure reizvoll. Organisationen weisen unpassende Ansätze zurück – zum Beispiel durch passiven Widerstand. Die Veränderung wird letztlich zum Absturz gebracht.
Unsere Schlussempfehlung.
Es lohnt sich, die Unternehmenskultur im Vorfeld genauer zu analysieren und den Veränderungsansatz entsprechend zu wählen.
- Agiler Change – 5 entscheidende Faktoren - 24. Oktober 2019
Super Blog, Beat, gratuliere!!